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„Nachhaltig zu investieren verbessert sogar das Risikomanagement“

Ein Interview mit Peter Körndl, Head of Sustainability Asset Management bei der Commerzbank.
Portrait Peter Koerndl
Redaktion AMEXcited Guide
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Das Wichtigste in Kürze
Vor zehn Jahren waren sie noch ein Nischenprodukt, mittlerweile spielen grüne Geldanlagen in der Vermögensverwaltung eine zunehmend wichtige Rolle. Peter Körndl, Head of Sustainability Asset Management bei der Commerzbank, hat mehr als ein Jahrzehnt Erfahrungen in der nachhaltigen Vermögensverwaltung gesammelt und engagiert sich aus Überzeugung für nachhaltige Geldanlagen. Im Gespräch mit AMEXcited erklärt Körndl, was beim nachhaltigen Investieren zählt, räumt mit Vorurteilen auf und wirft einen Blick in die Zukunft.
  1. Grüne Geldanlagen sind sehr gefragt – aber was genau bedeutet es eigentlich, nachhaltig zu investieren?
  2. Seit wann gibt es die Nachhaltigkeits-Vermögensverwaltung überhaupt?
  3. Wie hat sich das Thema Sustainable Investments im Laufe der Jahre entwickelt?
  4. Nehmen wir an, du kommst zu mir und sagst: "Ich würde gerne nachhaltig investieren." Was rate ich dir?
  5. Woraus kann ich denn wählen?
  6. Was ist noch wichtig beim Zusammenstellen eines nachhaltigen Portfolios?
  7. Inwiefern können denn Nachhaltigkeitskriterien das Risikomanagement verbessern?
  8. Auf welche Unternehmen und Fonds setzt du?
  9. Brauche ich ein Mindestanlagevolumen, um nachhaltig investieren zu können?
  10. Können einzelne Anleger:innen mit einer nachhaltigen Vermögensanlage überhaupt etwas bewirken?
  11. Wagen wir eine Prognose: Wie wird sich der Bereich entwickeln?
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Das Wichtigste aus diesem Artikel

  • Nachhaltiges Investieren: Es geht um Umwelt- und Klimaschutz, soziale Themen und gute Unternehmensführung (ESG).
  • Governance: Ethische und verantwortungsbewusste Unternehmensführung ist der entscheidende Faktor.
  • Langfristiger Prozess: Nachhaltigkeit in der Vermögensverwaltung ist ein langfristiger Prozess, nicht um schnelles Geld zu verdienen.
  • Anlagehorizont: Ein Anlagehorizont von mindestens drei bis fünf Jahren wird empfohlen.
  • Rendite: Nachhaltige Investments sind auf lange Sicht mindestens genauso renditestark wie herkömmliche Investments.
  • Nachhaltigkeits-Vermögensverwaltung: Seit Mitte 2013 bietet die Commerzbank diese an. Sie war damit einer der Vorreiter.
  • Kundeninteresse gestiegen: Besonders die jüngeren Generationen legen Wert darauf, dass mit ihrem Geld sinnstiftend agiert wird.

Grüne Geldanlagen sind sehr gefragt – aber was genau bedeutet es eigentlich, nachhaltig zu investieren?

Beim Stichwort Nachhaltigkeit denkt zunächst jede:r erst einmal an Umwelt- und Klimaschutz. Das ist natürlich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Aber soziale Themen spielen genauso eine Rolle wie die Kriterien für eine gute Unternehmensführung.

Das spiegelt sich auch in der Bezeichnung ESG wider. ‚E‘ steht für Environment, also Umwelt, das ‚S‘ für soziale Themen. Das ‚G‘ wiederum steht für Governance oder auf Deutsch die Unternehmensführung. Aus meiner Sicht ist Governance der entscheidende Faktor. Denn wenn ein Unternehmen ethisch und verantwortungsbewusst geführt wird, spielen in der Folge auch Umweltaspekte und soziale Fragen bei geschäftspolitischen Entscheidungen eine wichtige Rolle.

Zudem ganz wichtig: Nachhaltigkeit ist in der Vermögensverwaltung ein langfristiger Prozess. Es geht nicht darum, permanent umzuschichten oder schnelles Geld zu verdienen. Stattdessen gilt es, das Portfolio zukunftsorientiert auszurichten. Wir empfehlen daher einen Anlagehorizont von mindestens drei bis fünf Jahren. Dadurch haben Ausnahmesituationen weniger Gewicht. 2022 zum Beispiel haben nicht nachhaltige Segmente wie Öl bei der Geldanlage besser abgeschnitten. Aber auf lange Sicht sind nachhaltige Investments mindestens genauso renditestark wie herkömmliche Investments.

Zusammenfassend würde ich nachhaltiges Investieren als zukunftsorientiertes und verantwortungsbewusstes Investieren definieren.


Seit wann gibt es die Nachhaltigkeits-Vermögensverwaltung überhaupt?

Das Thema ist nicht neu. Die ersten Sustainability Fonds gab es schon um die Jahrtausendwende. Allerdings haben sich nur wenige Kund:innen dafür interessiert, und so sind diese Fonds schnell wieder aus dem Blickfeld verschwunden.

Ich selbst habe 2012 angefangen, mich mit dem Thema nachhaltiges Investieren zu befassen. Je tiefer ich in die Materie eingedrungen bin, desto überzeugter wurde ich, dass Nachhaltigkeit in der Vermögensverwaltung künftig eine wichtige Rolle spielen würde und wir uns dieses Themas bei der Commerzbank annehmen sollten. Seit Mitte 2013 bieten wir unseren Kund:innen unsere Nachhaltigkeits-Vermögensverwaltung an – und waren damit einer der Vorreiter. Darauf sind wir sehr stolz.

Wie hat sich das Thema Sustainable Investments im Laufe der Jahre entwickelt?

Gerade in den vergangenen Jahren ist das Kundeninteresse deutlich gestiegen. Das Thema hat spürbar Fahrt aufgenommen. Besonders die jüngeren Generationen Gen Y, Gen Z und Co legen zunehmend Wert darauf, dass mit ihrem Geld auch sinnstiftend agiert wird.

Vor allem aus dem Klima- und Umweltgedanken heraus hat die Entwicklung hin zu grünen Geldanlagen respektive einer nachhaltigen Vermögensverwaltung einen deutlichen Schub bekommen. Nachhaltigkeit hat ja mittlerweile auch eine deutlich stärkere mediale Präsenz als noch vor zehn Jahren.

Als Initialzündung würde ich klar die Klimakonferenz in Paris 2015 sehen, in deren Folge mit erheblicher Dynamik auch regulatorische Vorgaben und Vorhaben das Thema gepusht haben.  Zum Beispiel der EU-Green-Deal, dessen Ziel es ist, die Wirtschaft in Richtung einer nachhaltigen Ökonomie zu transformieren, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Aktuell macht die nachhaltige Vermögensverwaltung bereits mehr als zehn Prozent der Anlagegelder in der Vermögensverwaltung aus. Wir arbeiten verstärkt daran, das Angebot weiter auszubauen.

Das ist der European Green Deal


Bis 2050 wollen die 27 Mitgliedstaaten der EU klimaneutral werden, und zwar mit dem sogenannten Green Deal. Als erste Maßnahme sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent sinken im Vergleich zu 1990. Um das zu schaffen, müssen Wirtschaft und Gesellschaft sich neu ausrichten.

Nehmen wir an, du kommst zu mir und sagst: "Ich würde gerne nachhaltig investieren." Was rate ich dir?

Als Erstes frage ich zurück: „Was ist dir denn besonders wichtig?“ Zum einen ist das die entscheidende Frage in der Kundenberatung. Zum anderen ist das auch der von der Regulatorik geforderte Ausgangspunkt.

Seit dem 2. August 2022 greift die EU-Novelle, nach der alle Kund:innen explizit zum Thema Nachhaltigkeit befragt werden müssen. Zunächst, ob ihnen Nachhaltigkeit überhaupt wichtig ist, und dann, was ihnen besonders wichtig ist.

Woraus kann ich denn wählen?

Im Grunde geht es darum, dass sie über Aktien an Unternehmen beteiligt sind beziehungsweise Unternehmen mit Anleihen finanzieren. Mit ihren Anlageentscheidungen können sie also Einfluss auf Unternehmen ausüben.

Für ihr Portfolio können Anleger:innen unterschiedliche Schwerpunkte bezüglich Nachhaltigkeit setzen:

Das ist die EU-Taxonomie


Die EU-Taxonomie legt ein Regelwerk für klima- und umweltfreundliche Tätigkeiten und Investitionen fest und bezieht sich auf sämtliche Wirtschaftsbereiche. Seit 2022 ist sie in Kraft. Sechs Klima- und Umweltschutzziele sind festgelegt:
  • Bekämpfung des Klimawandels
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme
Ein Unternehmen gilt dann als taxonomiekonform, wenn es einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen von mindestens einem dieser Ziele leistet und keines der anderen deutlich außer Acht lässt.

Was ist noch wichtig beim Zusammenstellen eines nachhaltigen Portfolios?

Elementar für jedes Portfolio ist eine breite Diversifikation, also eine breite Risikostreuung. Damit ist es auch in turbulenten Kapitalmarktphasen wetterfest, wie wir sie 2022 aufgrund unterschiedlicher Ereignisse mehrfach erlebt haben. Ein diversifiziertes Portfolio bietet zwar keine Immunisierung, federt aber einzelne Kursschwankungen deutlich ab.

Davon abgesehen ist wichtig: Für wen konstruieren wir das Portfolio? Wie ist das individuelle Risikobewusstsein des einzelnen Anlegenden, wie ist die Renditeerwartung und natürlich: wie lange ist der Anlagehorizont?

Für die konkrete Portfoliokonstruktion sind insbesondere die volkswirtschaftlichen Prognosen und die aktuelle Kapitalmarktsituation wichtig. Das ist die Basis für die Entscheidung, wie hoch der Aktienanteil aktuell sein soll.
Als zusätzliches Element in diesem Investmentprozess werden dann für die konkrete Titelauswahl Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Damit verbessert sich das Risikomanagement.

Inwiefern können denn Nachhaltigkeitskriterien das Risikomanagement verbessern?

Nachhaltigkeitsrisiken sind immer auch ökonomische Risiken. Ein anschauliches Beispiel ist der Brand der Ölplattform Deepwater Horizon vor einigen Jahren. Der war zum einen eine ökologische Katastrophe, aber auch ökonomisch ein Desaster für BP und deren Aktionär:innen. Damals gab es bereits im Vorfeld Nachhaltigkeitsanalysen, die auf potenzielle Risikofaktoren hingewiesen haben. Entsprechend konnten Anleger:innen, die auf diese Signale reagiert haben, Kursverluste vermeiden.

Mit diesem Beispiel kann auch das häufig geäußerte Vorurteil „Nachhaltigkeit kostet Rendite“ widerlegt werden. Vielmehr zeigt sich das Gegenteil: Eine nachhaltige Vermögensverwaltung bringt keine systematischen Nachteile mit sich, sie ist eine Verbesserung des Risikomanagements.

Auf welche Unternehmen und Fonds setzt du?

Wie gesagt, eine breite Streuung ist wichtig, um sich als Anleger:in gegen Risiken zu wappnen. In der Nachhaltigkeits-Vermögensverwaltung gibt es für uns als Bank allerdings einige grundlegende Ausschlusskriterien. Fossile Brennstoffe, Waffen und Tabak zum Beispiel kommen nicht vor.

Diese Ausschlusskriterien verbinden wir mit einem Best-in-Class-Ansatz. Das heißt, wir möchten die nachhaltigsten Werte einer Branche in unser Nachhaltigkeits-Portfolio integrieren. Bei unserer Auswahl achten wir insbesondere darauf, dass die investierten Unternehmen die Prinzipien des UN Global Compact einhalten.

Das ist der United Nations Global Compact

Der United Nations Global Compact (UNGC) ist eine globale Initiative unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen für nachhaltige, verantwortungsbewusste Unternehmensführung. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 unterstützt die Initiative Unternehmen dabei, sich freiwillig zu verantwortungsvollen Geschäftspraktiken in den Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz, Arbeitsnormen und Korruption zu bekennen. Mit mehr als 11.500 teilnehmenden Unternehmen aus 150 Ländern, darunter mehr als 800 deutschen Unternehmen, ist der UNGC das weltgrößte Netzwerk für Corporate Social Responsibility.

Zudem haben wir unsere Ausschlusskriterien auf Länder ausgedehnt, weil wir auch in Staatsanleihen investieren. Zu den Ausschlusskriterien zählen zum Beispiel weitverbreitete Korruption und unfreie Staaten.

Davon abgesehen, stellen wir Mindestanforderungen an das ESG-Rating. Das Gesamtportfolio der nachhaltigen Vermögensverwaltung sollte ein überdurchschnittliches Rating aufweisen. Dazu arbeiten wir mit der Ratingagentur MSCI ESG Research zusammen, die Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit analysiert und bewertet.

Des Weiteren verfolgen wir das explizite Nachhaltigkeitsziel, dass wir bei der CO2-Intensität unseres Aktienblocks um mindestens zehn Prozent niedriger liegen als die Benchmark.

Mit der Kombination der von uns festgelegten Ausschlusskriterien plus den ESG-Ratingergebnissen von MSCI ESG Research kommen wir dann zu dem Ergebnis, ob ein Land oder ein Unternehmen unsere Standards erfüllt und damit investierbar ist oder nicht. Dabei ist es uns sehr wichtig, transparent – also für die Anlegenden nachvollziehbar – zu agieren.

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Brauche ich ein Mindestanlagevolumen, um nachhaltig investieren zu können?

Mindestens 250.000 Euro sollten es für unsere Nachhaltigkeits- Vermögensverwaltung sein. Aber auch für Anleger:innen, die nicht so viel investieren können oder wollen, haben wir als Commerzbank natürlich andere Angebote, bei denen Nachhaltigkeitsaspekte in die Überlegungen mit einbezogen werden. Zum Beispiel über Fonds, die bestimmte Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Das ist dann jeweils eine Einzelfallberatung.

Können einzelne Anleger:innen mit einer nachhaltigen Vermögensanlage überhaupt etwas bewirken?

Eindeutig: ja. Je mehr Anleger:innen ihren Investitionen Nachhaltigkeitskriterien zugrunde legen, desto stärker wird auch ihr Einfluss.

Auch bei den Fondsgesellschaften zeichnete sich in den vergangenen Jahren eine eindeutige Entwicklung ab: Gab es früher beispielsweise auf den wenigsten Hauptversammlungen aktiven Widerspruch, hat sich das deutlich dahingehend verändert, dass sich große institutionelle Anleger einmischen und mitgestalten möchten. Wir haben zunehmend auch bei Nachhaltigkeitsthemen aktivistische Investoren.

Vor- und Nachteile der nachhaltigen Vermögensverwaltung auf einen Blick

Vorteile beim Investieren in grüne Anlagen Nachteile beim Investieren in grüne Anlagen
Besseres Risikomanagement, da Nachhaltigkeitsrisiken als ökonomische Risiken betrachtet werden Keine Spekulationsplattform, um schnelles Geld zu verdienen
Finanzielle Performance mittel- bis langfristig mindestens vergleichbar mit herkömmlichen Produkten Es sind bewusst nicht alle Wirtschaftsbereiche investierbar
Verantwortungsbewusstes und zukunftsorientiertes Investieren
Profitieren vom Umbau der Ökonomie

Wagen wir eine Prognose: Wie wird sich der Bereich entwickeln?

Grundsätzlich wird das Thema sich weiter dynamisch entwickeln. Früher waren grüne Geldanlagen eine Nische. Doch ich bin überzeugt, dass sich das umkehren wird: In einigen Jahren werden wir dann von einer Nische sprechen, wenn Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage nicht berücksichtigt werden. Wir bei der Commerzbank arbeiten jedenfalls mit Hochdruck daran, unser Angebot bis 2024 weiter deutlich auszubauen.

Zudem habe ich eine Vision: Nämlich, dass man nicht Ausschlusskriterien verwendet, sondern auch Veränderungsbereitschaft von Unternehmen honoriert. Damit bei der nachhaltigen Geldanlage Unternehmen berücksichtigt werden, wenn sie glaubhaft zeigen: Wir wollen uns verbessern, wir wollen uns nachhaltiger ausrichten, Geschäftsmodelle umwerfen und zum Beispiel den Kohleausstieg beschleunigen. Ich wünsche mir, dass Portfoliomanager und Anleger auch diese Unternehmen auswählen, um deren Transformationsprozess zu unterstützen.

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