- Was ist das Ertragswertverfahren?
- Wann setzt du das Ertragswertverfahren ein?
- Wie funktioniert das Ertragswertverfahren?
- Ertragswertverfahren: Genau, aber kompliziert
- FAQ: Häufige Fragen und Antworten
Das Wichtigste aus diesem Artikel
- Was ist das Ertragswertverfahren: Das Ertragswertverfahren ist eine Methode zur Bestimmung des Werts einer Immobilie, die vermietet oder verpachtet ist oder werden soll.
- Anwendung des Ertragswertverfahrens: Es wird bei der Ermittlung von Steuern, beim Verkauf oder Beleihung von Immobilien und in gerichtlichen Auseinandersetzungen eingesetzt.
- Funktionsweise des Ertragswertverfahrens: Dieses Verfahren erfordert die Berücksichtigung verschiedener Parameter wie Jahresreinertrag der Immobilie, Bodenwert und Gebäudereinertrag. Die Berechnung sollte idealerweise von Expert:innen durchgeführt werden.
- Vorteile und Nachteile: Das Verfahren liefert genaue Ergebnisse, ist jedoch komplex und erfordert Fachkenntnisse für eine korrekte Durchführung.
Was ist das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren ist eine Möglichkeit, den Wert einer Immobilie zu ermitteln. Wie es der Name bereits andeutet, kommt es dann zum Einsatz, wenn mit einer Immobilie Erträge, also Einnahmen, erzielt werden. Es geht dabei also um Immobilien (Häuser, Eigentumswohnungen), die vermietet oder verpachtet sind – oder werden sollen.
Das Ertragswertverfahren liefert die Antwort auf die Frage, wie viel Gewinn mit der Immobilie erwirtschaftet werden kann.
Wann setzt du das Ertragswertverfahren ein?
Das Ertragswertverfahren kommt in verschiedenen Zusammenhängen zum Einsatz. So spielt es zum Beispiel bei der Ermittlung von Steuern eine Rolle. Und erwartungsgemäß dann, wenn eine Immobilie verkauft oder beliehen werden soll.
Vermietete Immobilien sind Renditeobjekte. Die Käufer:innen, ob Privatpersonen oder Unternehmen, wollen wissen, wie schnell sich der Kaufpreis amortisiert. Wenn der Kauf der Immobilie finanziert werden soll, ist diese Information auch für das jeweilige Kreditinstitut wichtig.
Auch im Zusammenhang mit gerichtlichen Auseinandersetzungen wird das Ertragswertverfahren angewendet, da oft ein Wertgutachten erforderlich ist.
In Deutschland ist der Einsatz des Ertragswertverfahrens im Bewertungsgesetz (BewG) geregelt.
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Wie funktioniert das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren ist keine einfache Rechenaufgabe. Und die verschiedenen Rechengrößen haben einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis. Du kannst den Ertragswert zwar selbst überschlagen, aber für ein Ergebnis, das standhält, vor einem Gericht etwa, sollte die Wertermittlung von einem Profi durchgeführt werden.
Käufer:innen, Banken und auch das Finanzamt werden ohnehin darauf bestehen, dass unabhängige Gutachter:innen die Berechnung durchführen. Und Gutachter:innen brauchen genaue Werte, um ein Gutachten zu erstellen.
Dennoch ist es gut, die Systematik des Ertragswertverfahrens zu verstehen. Wie die Immobilienbewertung errechnet wird, wird daher im Folgenden Schritt für Schritt erläutert.
1. Ermittlung des Jahresreinertrags der Immobilie
Zunächst ermittelst du den Reinertrag der Immobilie auf Jahresbasis. Dazu berechnest du zunächst den Rohertrag. Die Formel dafür lautet:
Jahresrohertrag = Wohnfläche × Nettomiete je Quadratmeter × 12 Monate
Die von den Mieter:innen bezahlten Nebenkosten bleiben bei der Betrachtung unberücksichtigt, da diese direkt auf die Mieter:innen umgelegt werden können.
Vom Rohertrag musst du dann noch die Bewirtschaftungskosten der Immobilie abziehen. Dabei handelt es sich um die Kosten, die dir durch die Vermietung der Immobilie entstehen, die aber nicht auf die Mieter:innen umgelegt werden dürfen. Dazu gehört beispielsweise bei einer Eigentumswohnung die Instandhaltungsrücklage.
Laut Gesetz sollen hier exakte Zahlen verwendet werden. Für einen Überschlag genügt es aber, einen Wert von 25 Prozent anzusetzen.
Bewirtschaftungskosten = Jahresrohertrag × 0,25
Damit ergibt sich:
Jahresreinertrag = Jahresrohertrag - Bewirtschaftungskosten
Der Jahresreinertrag wird auch als Grundstücksreinertrag bezeichnet.
2. Bodenwert ermitteln
Die zweite wichtige Größe für das Ertragswertverfahren ist der Bodenwert. Im Ertragswertverfahren wird ausschließlich die Verzinsung des Bodens einberechnet, nicht die Verzinsung des Gebäudes. Denn ein Gebäude nutzt sich über die Zeit ab, was beim Grundstück nicht der Fall ist.
Der Bodenwert ergibt sich aus der Formel:
Bodenrichtwert x Grundstücksfläche
Den Bodenrichtwert für das jeweilige Grundstück kannst du oftmals über Karten der öffentlichen Verwaltung herausfinden. Außerdem halten die Gutachterausschüsse oft auch solches Kartenmaterial bereit.
3. Gebäudereinertrag ermitteln
Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Grundstück einer Wertsteigerung unterliegt. Damit jetzt aber die Wertsteigerungen von Gebäude und Grundstück nicht doppelt in die Berechnung einfließen, wird die Verzinsung des Bodens vom Jahresertrag abgezogen.
Der Gebäudereinertrag wird so berechnet:
Gebäudereinertrag = Jahresreinertrag - Bodenwertverzinsung
Nach dem Bewertungsgesetz ist der Liegenschaftszinssatz für die Bodenwertverzinsung grundlegend.
Der Liegenschaftszinssatz ist der Zins, mit dem der Immobilienwert marktüblich im Durchschnitt verzinst wird. Er hängt unter anderem von der Lage, der Gebäudeart und der Restnutzungsdauer ab. Den jeweiligen Liegenschaftszinssatz ermitteln die örtlichen Gutachterausschüsse.
Sofern für den konkreten Fall kein Wert vorhanden ist, schreibt das Bewertungsgesetz bei Mietwohngrundstücken einen Liegenschaftszinssatz von 5 Prozent und bei Gewerbeimmobilien von 6,5 Prozent vor.
Jetzt kannst du die Bodenwertverzinsung berechnen:
Bodenwertverzinsung = Bodenwert × Liegenschaftszins
4. Jetzt kommt der Vervielfältiger
Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen, kommt in der Berechnung noch ein Multiplikator zum Einsatz. Dieser wird als Vervielfältiger, Wert-, Barwert-, Rentenbar- oder Diskontierungssummenfaktor bezeichnet.
Wenn du Glück hast, findest du den Vervielfältiger in Form von Tabellen für den Standort. Falls das nicht der Fall ist, kannst du den Faktor nach dieser Formel berechnen:
Vervielfältiger = (Liegenschaftszins+1)n–1 / ((Liegenschaftszins + 1)n x Liegenschaftszins)
„n“ entspricht der Restnutzungsdauer in Jahren.
Beispiel: Der Liegenschaftszins beträgt 5 Prozent und die Restnutzungsdauer des Gebäudes hat eine Laufzeit von 45 Jahren. Dann erhältst du einen Vervielfältiger von:
(1,0545–1) / ((1,05)45x 0,05) = 7,99 / 0,45) = 17,76
Gerundet ist das ein Wert von 18. Diesen Wert benötigst du im nächsten Schritt.
5. Gebäudeertragswert berechnen
Dieser Rechenschritt ist jetzt sehr einfach. Um den Gebäudeertragswert zu berechnen, nimmst du den Gebäudereinertrag aus Schritt 3 und multiplizierst ihn mit dem Vervielfältiger aus Schritt 4.
Gebäudeertragswert = Gebäudereinertrag x Vervielfältiger
6. Ertragswert berechnen
Den eigentlichen Ertragswert berechnest du nach der Formel:
Ertragswert = Gebäudeertragswert + Bodenwert
Es ist zulässig, noch zusätzlich Werte abzuziehen oder hinzuzufügen, wenn diese einen Einfluss auf den Wert der Immobilie haben. Diese sollen hier aber nicht weiter betrachtet werden.
Beispielrechnung für das Ertragswertverfahren
Um das Ertragswertverfahren für eine Beispielimmobilie zu berechnen, wird hier eine Immobilie verwendet, die auf einem 600 Quadratmeter großen Grundstück steht. Der Bodenrichtwert ist laut Gutachterausschuss auf 500 Euro pro Quadratmeter festgesetzt.
Vermietet wird eine Wohnfläche von 600 Quadratmetern zu einer Nettomiete von 10 Euro pro Quadratmeter. Und das Gebäude ist noch 45 Jahre nutzbar. Die Bodenwertverzinsung beträgt 5 Prozent. Der Vervielfältiger ist laut Gutachterausschuss 18.
Somit ergibt sich folgende Rechnung:
- Bodenwert: 600 qm x 500 €/qm = 300.000 €
- Grundstücksreinertrag: (600 qm x 10 €/qm x 12) - ((600 qm x 10 €/qm x 12) x 0,25) = 54.000 €
- Gebäudereinertrag: 54.000 € - (300.000 € x 0,05) = 39.000 €
- Gebäudeertragswert: 39.000 € x 18 = 702.000 €
- Ertragswert: 300.000 € + 702.000 € = 1.002.000 €
Ertragswertverfahren: Genau, aber kompliziert
Das Ertragswertverfahren ist gut dafür geeignet, den Wert einer vermieteten oder zu vermietenden Immobilie zu berechnen, um so Anleger:innen oder Käufer:innen zu zeigen, wie schnell sich die Investition amortisieren kann. Allerdings ist die Berechnung recht kompliziert, sodass sie von Expert:innen durchgeführt werden sollte.