- Was ist eine Privatinsolvenz?
- So läuft die Privatinsolvenz ab
- Privatinsolvenz: Vor- und Nachteile
- Ab wann ist eine Privatinsolvenz sinnvoll?
- FAQ: Häufige Fragen und Antworten
Das wichtigste aus diesem Artikel
Was ist eine Privatinsolvenz?
Eine Privatinsolvenz kommt für dich in Betracht, wenn du in großer finanzieller Not und nicht mehr in der Lage bist, deine Rechnungen zu begleichen und Schulden abzutragen. In deinem Briefkasten findest du regelmäßig Zahlungsaufforderungen, Mahnungen, Schreiben von Inkassounternehmen und Rechtsanwaltskanzleien – möglicherweise hast du auch bereits Bekanntschaft mit dem Gerichtsvollzieher gemacht.
In einer solchen Situation kann die Privatinsolvenz ein Ausweg sein. Sie ermöglicht Schuldner:innen dank der Insolvenzrechtsreform vom Oktober 2020, innerhalb von drei Jahren schuldenfrei zu werden. Zuvor konnte das Insolvenzverfahren noch bis zu sechs Jahre dauern. Hast du es durchlaufen, werden deine Schulden im Rahmen der Restschuldbefreiung vollständig gelöscht. Dabei ist gesetzlich kein Mindestschuldbetrag vorgegeben – es spielt also für die Privatinsolvenz keine Rolle, ob du 2.000 oder 20.000 Euro Schulden hast.
Quick-Info: Voraussetzungen für Privatinsolvenz
Unter gewissen Umständen sind auch Selbstständige dazu berechtigt, Privatinsolvenz anzumelden. Dazu müssen sie folgende Kriterien erfüllen:
- Sie dürfen nicht mehr selbstständig tätig sein.
- Sie müssen weniger als 19 Gläubiger haben.
- Es dürfen keine Schulden wie Löhne aus bestehenden Arbeitgeberverhältnissen bestehen.
So läuft die Privatinsolvenz ab
Zunächst empfiehlt sich der Besuch einer Schuldnerberatung. Diese wird oft von gemeinnützigen Vereinen oder Organisationen unterstützt und kann in diesem Fall kostenlos sein. Während der Beratung wird mit dir die Lage analysiert – vielleicht gibt es neben der Privatinsolvenz noch eine alternative Lösung, die ein Insolvenzverfahren nicht nötig werden lässt. Kommt es doch dazu, ist der Ablauf folgendermaßen.
Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
Bevor das eigentliche Insolvenzverfahren eingeleitet werden kann, musst du versuchen, dich außergerichtlich mit deinen Gläubigern zu einigen. Dazu stellst du mit deiner Schuldnerberatung einen sogenannten Schuldenbereinigungsplan auf. Darin werden deine wirtschaftliche Situation erläutert und alle Gläubiger samt Forderungen aufgelistet. Zudem machst du den Gläubigern ein Zahlungsangebot, wie du die Schulden zumindest zum Teil abbauen kannst – denn könntest du sie komplett begleichen, wärst du nicht in dieser Situation.
Entsprechend wird eine Quote festgehalten, die besagt, welchen prozentualen Anteil deiner Schulden du tilgen kannst. Haben sich beispielsweise Schulden in Höhe von 15.000 Euro angesammelt, von denen du grundsätzlich 3.000 Euro begleichen könntest, beläuft sich diese Quote auf 20 Prozent. Damit alle Gläubiger gleichmäßig bedient werden, wird das Geld entsprechend der Quote aufgeteilt: Jeder Gläubiger bekommt dann 20 Prozent seiner Forderungen.
Hast du keine Möglichkeiten, auch nur einen geringen Teil deiner Schulden zu bezahlen, wird im Plan festgehalten, dass dir sämtliche Schulden erlassen werden. In diesem Fall wird der Plan auch als Nullplan bezeichnet.
Der Schuldenbereinigungsplan wird sämtlichen Gläubigern zur Zustimmung vorgelegt. Erklären sich diese geschlossen mit der Quote einverstanden, hast du damit eine außergerichtliche Einigung erreicht. Dann kommt es nicht zum Insolvenzverfahren, aber du musst den vereinbarten Anteil deiner Schulden begleichen – bei einem Nullplan entsprechend gar nichts. Tust du das nicht, steht den Gläubigern die Durchführung einer Zwangsvollstreckung offen: Der Plan kommt nämlich einem Vollstreckungstitel gleich.
Lehnt jedoch nur einer deiner Gläubiger den Schuldenbereinigungsplan ab, ist die außergerichtliche Einigung gescheitert und du kannst einen Insolvenzantrag stellen.
Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
Ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren verspricht selten Erfolg: Möchte ein Gläubiger bereits außergerichtlich nicht auf einen Teil seiner Forderung verzichten, wird er sich voraussichtlich auch bei einem gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren nicht dazu bereit erklären. Dennoch muss das Insolvenzgericht diese Möglichkeit prüfen.
Gerichtliches Insolvenzverfahren
Kam es im Schuldenbereinigungsverfahren zu keiner Einigung, kannst du beim Gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Im dazu benötigten Antrag listest du gemeinsam mit dem Schuldenberater dein gesamtes Vermögen sowie deine Gläubiger und die jeweiligen Schulden genau auf. Reicht dein Vermögen nicht aus, um die Verfahrenskosten zu decken, können diese gestundet werden und sind erst nach erfolgter Restschuldbefreiung fällig.
Die Eröffnung des Verfahrens wird öffentlich bekannt gegeben. Nun wird ein Treuhänder bestimmt, mit dem du alles Organisatorische regelst und der die Insolvenzmasse – pfändbares Vermögen und Gegenstände – verwaltet. Du kannst selbst auch eine geeignete Person für diese Aufgabe vorschlagen.
Wohlverhaltensphase
Ist ein Treuhänder bestimmt, folgt die dreijährige Abtretungsfrist. In diesem Zeitraum trittst du den pfändbaren Anteil deines Nettoeinkommens an den Treuhänder ab. Hast du keine Unterhaltsverpflichtungen, sind 1.330 Euro monatlich nicht pfändbar und stehen dir zur Verfügung. Bist du unterhaltspflichtig, ist der Betrag entsprechend höher. Gewinnst du in dieser Zeit im Lotto, musst du den Gewinn beim Treuhänder abgeben. Ein eventuelles Erbe geht zur Hälfte an ihn.
Während dieser Wohlverhaltensphase darfst du keinerlei unangemessene neue Schulden machen, da das Gericht dir ansonsten die Restschuldbefreiung verwehren könnte. Du bist außerdem dazu verpflichtet, zu arbeiten oder im Falle einer Arbeitslosigkeit nachzuweisen, dass du dich aktiv um Arbeit bemühst und keine dir zumutbare Stelle ablehnst. Auch musst du Gericht und Treuhänder stets unverzüglich über Änderungen an deinem Einkommen oder Wohnort informieren.
Insolvenzplanverfahren
Unter Umständen sind deine Gläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eher zu Verhandlungen bereit als zuvor. Möglicherweise hast du in der Zwischenzeit auch mehr Geld zur Verfügung, beispielsweise durch eine neue Arbeitsstelle, und kannst ein besseres Vergleichsangebot machen. Erfolgt auf diesem Wege eine Einigung, wird die Insolvenz vorzeitig beendet.
Restschuldbefreiung
Sind drei Jahre seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergangen, fällt das Insolvenzgericht seine Entscheidung zu deiner Restschuldbefreiung. Solange du keine neuen Schulden angehäuft hast und deinen Informationspflichten nachgekommen bist, dürfte die Entscheidung zu deinen Gunsten ausfallen.
Mit erteilter Restschuldbefreiung sind sämtliche Schulden gelöscht, die in der zu Beginn des Verfahrens erstellten Auflistung enthalten sind. Wurden die Verfahrenskosten gestundet, sind diese also trotzdem fällig.
Privatinsolvenz: Vor- und Nachteile
Eine Privatinsolvenz ist ein großer Schritt, den du dir gut überlegen solltest. Du solltest dir in jedem Fall über die Nachteile der Privatinsolvenz im Klaren sein:
- Das Insolvenzverfahren ist öffentlich. Verwandte, Freunde und Bekannte können also davon erfahren, auch wenn dir das nicht recht ist.
- Dein Arbeitgeber muss darüber informiert werden, da der pfändbare Teil deines Lohns direkt an den Treuhänder überwiesen werden muss.
- Während des Insolvenzverfahrens darfst du keine unnötigen Schulden machen, wenn du von deinen Restschulden befreit werden möchtest. Das bedeutet, dass Einkäufe auf Raten oder mit Kreditkarte für dich nicht infrage kommen.
- Bis zur Restschuldbefreiung dauert es drei Jahre.
- Nach Ende des Insolvenzverfahrens hast du drei weitere Jahre lang einen negativen Schufa-Eintrag, der dir Wohnungs- oder Vertragswechsel erschwert: Vermieter fragen ebenso wie Strom-, Gas- oder Internetanbieter deine Bonität ab.
- Durch die Kosten für Gericht und Treuhänder entstehen zusätzliche Schulden.
Da der Weg in die Privatinsolvenz jedoch üblicherweise nicht leichtfertig gegangen wird, sind dir diese Nachteile sicher bekannt. In dieser Situation überwiegen die Vorteile einer Privatinsolvenz:
- Da die Insolvenz vom Treuhänder verwaltet wird, kommt der Gerichtsvollzieher nicht länger zu dir, um nach Pfändbarem zu suchen.
- Durch die Privatinsolvenz sind auch weitere Lohn- oder Kontopfändungen nicht länger möglich.
- Durch die Pfändungsgrenze können mindestens 1.330 Euro deines Nettoeinkommens nicht gepfändet werden, sodass zumindest dein Existenzminimum gesichert ist.
- Du hast die Möglichkeit, in Hinblick auf deine Finanzen komplett neu anzufangen. Durch die Restschuldbefreiung werden die im Verfahren behandelten Schulden vollständig gelöscht. Drei Jahre nach Verfahrensstart bist du dadurch schuldenfrei.
Statistik
Quelle: Statista
Ab wann ist eine Privatinsolvenz sinnvoll?
Eine Privatinsolvenz kann bei einer hohen Schuldenbelastung und Zahlungsunfähigkeit der letzte Ausweg sein. Durch die Aussicht auf einen Neuanfang und die komplette Schuldenbefreiung zum Ende des dreijährigen Verfahrens bietet sie große Vorteile. Ab welcher Schuldenhöhe eine Privatinsolvenz sinnvoll ist, ist jedoch einzelfallabhängig, da gesetzlich kein Mindestbetrag vorgesehen ist.
Privatinsolvenz - kein exotisches Thema in Deutschland
Statistiken von Statista oder Destatis, dem Statistischen Bundesamt, belegen, dass Überschuldung in Privatinsolvenz in Deutschland kein Exot im Finanzbereich darstellt. Wir wollen die Zahlen der jüngsten Statistiken ein wenig aufschlüsseln.
Quelle: statista.de
Der Schuldenberg: Das 26-Fache des monatlichen Nettoeinkommens
Destatis veröffentlichte im Juni 2023 eine Studie, basierend auf den Daten des Jahres 2022. Demzufolge lag die durchschnittliche Verschuldungsquote beim 26-Fachen des monatlichen Nettoeinkommens, das von den Schuldnerberatungsstellen bei den Ratsuchenden im Mittel mit 1.189 Euro beziffert wurde.
Die Verschuldungsquote gibt an, wie viele Monate ein Gläubiger benötigen würde, um seine Schulden zu tilgen - ohne, dass er andere Ausgaben wie Essen oder Miete tätigt. Im Bundesdurchschnitt belief sich die Dauer in 2022 auf 26 Monate.
Klare Unterschiede bei der Betrachtung nach Bundesländern
Interessant wird die Betrachtung nach Bundesländern aufgeschlüsselt. Das Beispiel Saarland macht dies deutlich. Im Saarland betrug bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1.102 Euro der durchschnittliche Schuldenstand 34.308 Euro. Mit einer Verschuldungsquote von 31 führt das Saarland die Liste der Bundesländer an.
Quelle: destatis.de
Interessant ist, dass im wohlhabenden Bayern viele Bürger dort ebenfalls mit Schulden kämpfen müssen. Gleiches gilt für Rheinland-Pfalz.
Die Nettoeinkommen bewegten sich alle in einem Rahmen zwischen 1.039 Euro in Bremen und 1.283 Euro in Bayern. Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass nicht das Nettoeinkommen ausschlaggebend für die Überschuldungsquote ist, sondern die Höhe der Verbindlichkeiten. Und hier haben die Bayern die Nase mit 36.982 Euro die Nase vorne. Die niedrigsten Verbindlichkeiten verzeichnen im Durchschnitt die Verbraucher in Mecklenburg-Vorpommern (24.596 Euro bei 1.101 Euro Einkommen) und Hamburg (25.607 Euro bei einem Nettoeinkommen in Höhe von 1.147 Euro).
Die Zahl der Privatinsolvenzen hatte in den letzten zehn Jahren im Jahr 2021 einen fast dramatischen Höhepunkt erreicht:
Quelle: statista.de
Es ist nicht auszuschließen, dass der steile Anstieg von 2020 zu 2021 auch Pandemie bedingt Einzelunternehmer mit einer Personenfirma abbildet.
Verschuldung nach Familienstand
Der Verschuldung und Überschuldung von Bundesbürgern liegt nach Familienstand betrachtet ein gewisses Muster zugrunde. Den höchsten durchschnittlichen Verschuldungsgrad wiesen im Jahr 2022 Paare ohne Kinder auf. Sie lagen im Mittel bei 46.907 Euro. An zweiter Stelle folgten alleinerziehende Väter. Aufgegliedert nach Anzahl der Kinder sah die Verschuldung folgendermaßen aus:
1 Kind | 41.181 Euro |
2 Kinder | 38.294 Euro |
3 und mehr Kinder | 41.211 Euro |
Betrachten wir alleinerziehende Väter, sollten wir auch auf die Situation alleinerziehender Mütter schauen.
1 Kind | 20.547 Euro |
2 Kinder | 23.135 Euro |
3 und mehr Kinder | 23.063 Euro |
Die deutlich geringeren Verschuldungsgrade der Frauen gegenüber den Männern resultiert zum größten Teil aus der Einkommenssituation. Frauen, insbesondere Alleinerziehende, haben nach wie vor geringere Einkommen als Männer. Die Höhe der Kreditvergabe richtet sich nach dem Einkommen, damit haben Männer die bessere Chance, sich noch höher zu verschulden.
Ein abschließender Blick auf alleinlebende Menschen zeigt, dass auch in diesem Fall die Verschuldung der Männer höher ausfällt als bei den Frauen. Während alleinlebende Männer im Mittel 31.290 Euro an Verbindlichkeiten ansammelten, waren es bei den Frauen im Durchschnitt “nur” 24.795 Euro.
Privatinsolvenzen in Deutschland 2022
Ab wann eine Privatinsolvenz sinnvoll ist oder nicht, entscheidet nicht der Betroffene, sondern andere. Eine gesetzliche Mindestgröße gibt es nicht. Zum einen die Gläubiger, zum anderen der Richter, der über das Insolvenzverfahren zu entscheiden hat.
Eine der interessantesten Aussagen zum Thema “Privatinsolvenz” ist die, welche die Zahlen abhandelt. Wie viele Privatinsolvenzen gab es in Deutschland? Wie hoch waren die Forderungen? Wie viele wurden abgelehnt und in wie vielen Fällen wurde der Schuldenbereinigungsplan angenommen?
Das Statistische Bundesamt destatis hat diese Fragen für das Jahr 2022 beantwortet. Hier ist die Darstellung für Deutschland insgesamt und folgend heruntergebrochen auf die Länderebene:
eröffnet |
abgewiesen mangels Masse |
Schuldenberei- nigungsplan angenommen |
Verfahren insgesamt |
Verfahren insgesamt Vorjahr |
Voraussichtliche Forderung in Mio |
||
Anzahl | Euro | ||||||
Deutschland | 78 615 | 237 | 768 | 79 620 | 41 753 | 90,7 | 3 460,5 |
Baden- Württemberg | 6 988 | 18 | 190 | 7 196 | 3 704 | 94,3 | 349,6 |
Bayern | 7 036 | 13 | 55 | 7 104 | 3 731 | 90,4 | 347,1 |
Berlin | 3 529 | 4 | 40 | 3 573 | 1 804 | 98,1 | 167,2 |
Brandenburg | 2 629 | 13 | 6 | 2 648 | 1 692 | 56,5 | 108,2 |
Bremen | 1 334 | 4 | 8 | 1 346 | 636 | 111,6 | 41,7 |
Hamburg | 2 269 | 4 | 3 | 2 276 | 858 | 165,3 | 135,4 |
Hessen | 4 932 | 13 | 108 | 5 053 | 2 511 | 101,2 | 232,5 |
Mecklenburg-Vorpommern | 2 089 | 1 | 21 | 2 111 | 1 002 | 110,7 | 67,9 |
Niedersachsen | 11 604 | 41 | 88 | 11 733 | 6 762 | 73,5 | 403,9 |
Nordrhein- Westfalen | 20 262 | 104 | 140 | 20 506 | 10 147 | 102,1 | 942,4 |
Rheinland- Pfalz | 3 486 | 1 | 38 | 3 525 | 1 753 | 101,1 | 158,3 |
Saarland | 1 310 | 2 | 8 | 1 320 | 665 | 98,5 | 67,4 |
Sachsen | 3 689 | 4 | 5 | 3 698 | 2 011 | 83,9 | 149,9 |
Sachsen- Anhalt | 2 161 | 5 | 9 | 2 175 | 1 633 | 33,2 | 84,7 |
Schleswig- Holstein | 3 622 | 6 | 27 | 3 655 | 1 859 | 96,6 | 138,7 |
Thüringen | 1 675 | 4 | 22 | 1 701 | 985 | 72,7 | 65,8 |
Quelle: destatis.de
Die durchschnittlich geschuldete Summe belief sich im Jahr 2022 auf 44.018 Euro. Wie hoch die geringste Verschuldung innerhalb der Statistik in diesem Jahr ausfiel, ist nicht bekannt.