- Was bedeutet antizyklisches Investieren?
- Wie funktioniert antizyklisches Investieren bei Aktien?
- Antizyklisch investieren mit dem Value-Ansatz
- Für wen eignet sich diese Anlagestrategie?
- Was sind die größten Risiken beim antizyklischen Handeln?
- Strategie für nervenstarke Profis
- FAQ: Häufige Fragen und Antworten
Das wichtigste aus diesem Artikel
- Antizyklisches Investieren: Du kaufst oder verkaufst Wertpapiere entgegen dem aktuellen Markttrend.
- Funktionsweise: Du suchst nach über- oder unterbewerteten Aktien, vor allem in Märkten, die aktuell fallen oder steigen.
- Dividendenrendite: Ein hoher Wert kann auf eine Unterbewertung hinweisen, ein niedriger Wert auf eine Überbewertung.
- Value-Ansatz: Beim antizyklischen Investieren konzentrierst du dich auf den "inneren Wert" eines Unternehmens.
- Voraussetzungen: Du brauchst starke Nerven und fundiertes Wissen über Unternehmen und Branchen. Zudem solltest du genügend Liquidität haben.
- Risiken: Es besteht die Gefahr, dass der Kurs von gekauften Aktien weiter fällt und sich nicht erholt. Erfahrung und Wissen sind hierbei essenziell.
Was bedeutet antizyklisches Investieren?
Antizyklisches Investieren (auf Englisch Contrarian Investing) bedeutet, Wertpapiere entgegen dem vorherrschenden Markttrend zu kaufen oder zu verkaufen. Anleger:innen kaufen also Aktien, Fonds oder Anleihen, wenn viele andere Marktteilnehmer:innen sich gerade davon trennen. Oder sie verkaufen ihre Investments, während zahlreiche andere begeistert zugreifen.
In der Regel gehen antizyklische Investor:innen davon aus, dass die aktuelle Kursentwicklung, etwa einer Aktie, nicht den realen Wert des entsprechenden Unternehmens widerspiegelt. Zum Beispiel, weil der Kurs aufgrund eines Hypes zu stark gestiegen ist. Oder weil er aufgrund panischer Anleger:innen stärker fiel, als eigentlich angebracht wäre.
Deshalb hoffen sie auf eine Kurswende. Sie wollen sich also rechtzeitig von zu hoch bewerteten Papieren trennen – oder günstig in aktuell unterbewertete Wertpapiere einstiegen. Die Erfahrung zeigt, dass zum Beispiel stark unterbewertete Papier bei einer Trendwende häufig weit stärker im Wert steigen als andere Papiere der Branche.
Bei dieser Anlagestrategie besteht natürlich keine Gewähr, dass die erwartete Kursentwicklung tatsächlich eintritt. Antizyklisches Investieren ist eine Anlagestrategie, die grundsätzlich eine sehr gute Marktkenntnis voraussetzt.
Wie funktioniert antizyklisches Investieren bei Aktien?
Antizyklische Anleger:innen suchen nach Aktien, die über- oder unterbewertet sein könnten. Dabei interessieren sie sich als Erstes für Indizes oder Märkte, die aktuell generell fallen oder steigen sowie von Anleger:innen und Analyst:innen generell negativ beziehungsweise – bei steigenden Kursen – positiv eingeschätzt werden.
Denn diese Märkte bieten die größte Chance, zu hoch oder tief bewertete Aktien zu finden: Sind Wertpapiere einer Branche gerade begehrt (wie etwa Ende der 1990er-Jahre im Onlinesektor), kaufen Anleger:innen sie häufig massenweise, ohne genauer hinzuschauen. Das führt dazu, dass manche Aktien weit höher bewertet werden, als eigentlich angebracht wäre. Herrscht hingegen Ausverkaufsstimmung innerhalb eines Sektors, fallen oft auch die Kurse von Unternehmen, die eigentlich sehr gut dastehen.
Was sagt die Dividendenrendite aus?
Um unter- oder überbewertete Aktien in solchen Märkten zu finden, hilft unter anderem eine hohe oder niedrige Dividendenrendite als Orientierungswert.
- Die Dividentenrendite drückt das Verhältnis zwischen Aktienkurs und ausgeschütteter Dividende aus: Sie beträgt zum Beispiel fünf Prozent, wenn eine Aktie 100 Euro kostet und die Dividende bei fünf Euro liegt. Je höher sie ist, desto größer der prozentuale Gewinn der Aktienkäufer:innen.
- Wenn der Aktienkurs steigt und die Dividende gleich bleibt, sinkt die Dividendenrendite. Sinkt der Kurs, steigt sie dagegen – zum Beispiel auf zehn Prozent, falls die oben erwähnte 100-Euro-Aktie auf 50 Euro fällt.
- Eine sehr hohe Dividendenrendite bedeutet also: Ein Unternehmen wird an der Börse möglicherweise zu schlecht bewertet – ein Hinweis darauf, dass sich sein Kurs erholen und insbesondere bei einer Trendwende massiv steigen könnte. Vor dem Aktienkauf ist es jedoch nötig, sich genauer mit dem Konzern auseinanderzusetzen, etwa mit Fragen wie: Gibt es Warnzeichen, wie zum Beispiel Gewinnwarnungen? Hat das Unternehmen in den letzten Jahren die Dividende zuverlässig gezahlt – und blieb diese in etwa konstant? Hat das Geschäftsmodell Zukunft?
- Umgekehrt kann eine sehr niedrige Dividendenrente bedeuten, dass das Unternehmen möglicherweise überbewertet ist, also sein Aktienkurs in Zukunft fallen könnte. Manche Unternehmen ziehen es allerdings vor, ihre Gewinne in Investitionen zu stecken, statt hohe Dividenden auszuzahlen – das mindert natürlich die Dividendenrendite ebenfalls.
- Für antizyklische Investor:innen gilt demnach: Eine hohe Dividendenrendite kann zum Kauf der Aktie bewegen, eine niedrige zum Verkauf – vorausgesetzt, die weiteren Indikatoren stimmen.
Quick-Info: John Templeton – der berühmte Contrarian
John Templeton, geboren 1912 im US-Bundesstaat Tennessee, war ein berühmter Philanthrop, Fondsmanager – und Contrarian. Als Mitbegründer des antizyklischen Investierens ließ er sich bei Anlageentscheidungen weder von Stimmungen noch von Spekulationen mitreißen.
Machte sich unter Investor:innen Euphorie breit, trennte er sich von seinen Wertpapieren. Umgekehrt nutzte er pessimistische Marktphasen, um schwache Aktien zuzukaufen. Bis zu seinem Tod im Jahr 2008 schnitt Templeton mit dieser auf dem Value-Ansatz (siehe unten) basierenden antizyklischen Strategie über einen Zeitraum von 50 Jahren stets besser als der Aktienmarkt ab.
Und sein Erbe lebt fort: Im Jahr 1954 gründete er den nach ihm benannten Templeton Growth Fund. Basierend auf dem angelegten Vermögen war der Fonds seinerzeit der weltgrößte Investmentfonds. Im Jahr 1994 verkaufte er den Fonds samt dazugehöriger Investmentgesellschaft für 440 Millionen US-Dollar an die Franklin Templeton Investments Group.
Antizyklisch investieren mit dem Value-Ansatz
Anleger:innen, die beim antizyklischen Investieren den Value-Ansatz verfolgen, suchen vor allem nach unterbewerteten oder gerade fallenden Papieren. Kern des Ansatzes, den John Templeton übrigens erfolgreich mitgeprägt hat, ist der „innere Wert“ (fair value).
Um den inneren Wert eines Unternehmens zu ermitteln können, analysieren Investor:innen eine Reihe von Parametern, die Aussagen über dessen Werthaltigkeit geben, unter anderem:
- Kapitalrendite
- Verschuldung
- Buchwert
- Liquiditätsgrad
- Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
- Managementqualität
- Marktposition
- Dividendenrendite
Hinter dem inneren Wert verbirgt sich also eine komplexe Unternehmens- bzw. Fundamentalanalyse, welchen realen, „inneren“ Wert ein Unternehmen hat. Liegt der aktuelle Börsenwert im Vergleich dazu zu niedrig, kann das ein Grund sein, die Aktie zu kaufen.
Für wen eignet sich diese Anlagestrategie?
Antizyklisches Investieren ist etwas für Anleger:innen mit starken Nerven und dem notwendigen Hintergrundwissen über das jeweilige Unternehmen und seine Branche. Wenn zum Beispiel ein fallender Markt die Masse der Anleger:innen in Panik versetzt und der große Abverkauf von Papieren beginnt, braucht es Mut, gegen den Strom zu schwimmen.
Doch für antizyklische Investitionen reicht Mut allein nicht aus. Es braucht auch eine Menge Know-how beim Stock-Picking, also der Aktienauswahl. Schließlich sind manche Unternehmen zu Recht schlecht bewertet, und die Investor:innen machen aus gutem Grund einen großen Bogen darum.
Zudem benötigen Anleger:innen beim antizyklischen Handeln meist einen langen Atem. Je nach Lage kann ein Abwärtstrend auch mehrere Monate, wenn nicht gar Jahre andauern – und selbst wenn einzelne Unternehmen gute Ergebnisse erzielen, kann sich ihr Aktienkurs nicht immer gegen den allgemeinen Trend behaupten.
Antizyklische Anleger:innen sollten sich deshalb auf jeden Fall im Klaren darüber sein, dass die neu erworbenen Aktien noch einige Zeit weiter fallen können.
Warren Buffet – der antizyklische Investmentguru
Großinvestor, Orakel von Omaha, Finanzlegende: Durch seine Erfolge an der Börse stieg Warren Buffett nicht nur zu einem der reichsten Männer der Welt auf, sondern wurde auch zu einem Quell geistreicher Börsenweisheiten.
Und da er sozusagen als Großmeister des antizyklischen Investierens gilt, hat er auch zu diesem Thema ein motivierendes Zitat parat: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“ Mit dieser Strategie hat der am 30. August 1930 geborene Buffett immerhin einen Großteil seiner fast 100 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet.
Was sind die größten Risiken beim antizyklischen Handeln?
Antizyklische Anleger:innen laufen Gefahr, Aktien zu kaufen, deren Kurs noch einige Zeit weiter fällt – und sich vielleicht nie wieder erholt. Selbst bei intensiver Vorabanalyse sind nie alle Faktoren bekannt, die den Kurs beeinflussen, und es wäre falsch, grundsätzlich immer gegen den Trend einzusteigen.
Eine der großen Herausforderungen beim antizyklischen Handeln ist es stets, im Umfeld einer Trendwende einzusteigen. Dafür braucht es jedoch Wissen und Erfahrung.
Deshalb sollten antizyklische Anleger:innen stets Verluste einkalkulieren. Das heißt auch, dass diese Anlagestrategie ausreichend Liquidität erfordert. Du solltest dafür also jederzeit genug Mittel in der Hinterhand haben.
Weitere Informationen zum Thema Investments, wie zum Beispiel dem Sneaker-Investment oder dem Faktor-Investing findest du in unserem AMEXcited Guide.
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Strategie für nervenstarke Profis
Aktien kaufen, wenn die Marktlage trübe ist und sich alle anderen Marktteilnehmer:innen von ihren Aktien trennen? Antizyklisches Investieren ist nur für Anleger:innen mit sehr guten Nerven geeignet, die das nötige Wissen über die entsprechenden Unternehmen und Branchen besitzen. Wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann auf diese Weise relativ günstig in Aktien einsteigen und langfristig von möglichen Gewinnmitnahmen profitieren.