Kritische Punkte in den eingereichten Unterlagen
Lücken im Lebenslauf sind in Bewerbungen heutzutage nichts Außergewöhnliches mehr. Besonders Millennials schätzen es, eine Auszeit vom Arbeitsleben zu nehmen, um zu reisen oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Das allein sollte Sie also nicht davon abhalten, qualifizierte Bewerber:innen zu einem Gespräch einzuladen. Es gibt durchaus Warnsignale in Bewerbungsunterlagen, bei denen Sie hellhörig werden sollten.
Häufige Jobwechsel nach der Probezeit
Gibt ein:e Kandidat:in im Lebenslauf beispielsweise an, dass er oder sie wiederholt kurz nach der Probezeit den Arbeitgeber gewechselt hat, könnte dies auf zwei Dinge hindeuten: 1. Der:die Bewerber:in hat sich nach Ablauf der Probezeit keine Mühe im Job gegeben oder 2. bei der kleinsten Unzufriedenheit wirft er oder sie das Handtuch, anstatt offen mit den Personalverantwortlichen darüber zu sprechen.
Ist der:die Bewerber:in ansonsten wie geschaffen für Ihre Stellenausschreibung, sollten Sie die Chance nutzen, und ihn oder sie im Bewerbungsgespräch auf die häufigen Jobwechsel ansprechen – vielleicht gibt es gute Gründe. Wie die Antwort auch ausfällt: Sie sammeln damit wichtige Erkenntnisse für Ihre Personalentscheidung.
Fehlende Bemühungen bei Form und Inhalt
Entgegen der landläufigen Meinung sollten Recruiter:innen Flüchtigkeitsfehler wie fehlende Buchstaben oder Zahlendreher bei Bewerbungen nicht zum Ausschlusskriterium machen. Solange diese selten auftreten, spricht das in der Regel nicht für mangelnde Sorgfalt – selbst in professionell verlegten Büchern finden sich schließlich noch Rechtschreibfehler.
Ein klares Warnsignal ist hingegen, wenn sich Bewerber:innen sichtlich keine Mühe geben – sowohl formal als auch textlich. Wer eine Bewerbung nicht ordentlich gestaltet oder gar lange Textpassagen aus dem Internet kopiert, ist vermutlich nicht sonderlich an einer Anstellung in Ihrem Unternehmen interessiert. Ob Ihr:e Bewerber:in Textbausteine aus dem Internet übernimmt, können Sie übrigens schnell mit der Google-Suche überprüfen.
Warnsignale im Bewerbungsgespräch
Ist die erste Hürde des Recruiting-Prozesses genommen, kommt es im Anschluss zum Bewerbungsgespräch. Auch hier gibt es einige Warnsignale, auf die Personalverantwortliche achten sollten. Vieles davon ist auch anwendbar, wenn Sie Ihre Bewerbungsgespräche virtuell führen.
Ein schlechter erster Eindruck bei Kolleg:innen
Ein:e Bewerber:in macht im persönlichen Bewerbungsgespräch einen sehr positiven Eindruck auf Sie? Hält den Augenkontakt, lächelt sympathisch, wirkt wach und aufmerksam? Bevor Sie Ihre Entscheidung treffen, sollten Sie lieber noch einmal Ihre Mitarbeitenden am Empfang fragen, wie sich der:die Bewerber:in ihnen gegenüber verhalten hat.
So können Sie überprüfen, ob allen Mitarbeitenden des Unternehmens freundlich begegnet wurde. Präsentierte sich der:die Kandidat:in am Empfang noch desinteressiert oder sogar herablassend, ist das ein deutliches Warnsignal. Generell empfiehlt es sich, den:die Bewerber:in auch potenziellen Teamkollegen vorzustellen und deren Meinung einzuholen.
Lästereien über den Arbeitgeber
Wie bereits erwähnt, ist ein persönliches Bewerbungsgespräch die perfekte Gelegenheit, um Bewerber:innen nach den Beweggründen für häufige Jobwechsel und der Motivation für die aktuelle Bewerbung zu fragen. Antworten wie etwa „Ich habe mich im Betrieb aufgrund fehlender Transparenz nicht wohlgefühlt“ sollten in Zeiten eines wachsenden Bewusstseins für problematische Arbeitsumfelder nicht allein zur Disqualifizierung führen. Wenn Kandidat:innen dann von Konfliktlösungsversuchen erzählen, kann dies durchaus als positives Zeichen gewertet werden.
Während sachliche Kritik angebracht sein kann, sind ausschweifende Lästereien über den noch aktuellen oder ehemaligen Arbeitgeber und die Kolleg:innen stets negativ zu bewerten und ein klares Warnsignal bei Bewerbungen. Schließlich sind Kandidat:innen bei Ihnen, um schlechte Erfahrungen hinter sich zu lassen.
Ein persönliches Bewerbungsgespräch ist die perfekte Gelegenheit, um Bewerber:innen nach den Beweggründen für häufige Jobwechsel und der Motivation für die aktuelle Bewerbung zu fragen.
Einseitige Selbstdarstellung im Bewerbungsgespräch
Ein Bewerbungsgespräch sollte immer ein Austausch sein – es geht auch für Kandidat:innen darum herauszufinden, ob Sie der passende Arbeitgeber sind. Das ist aber nicht möglich, wenn er oder sie ununterbrochen über sich selbst spricht. Zu viel Eigenlob sollte Sie alarmieren.
Am besten fragen Sie dann gezielt nach Erfahrungen mit Teamwork, gemeinsamen Erfolgen mit Kolleg:innen und nach persönlichen Schwächen. Bei den Antworten sollten Sie Wert auf Ehrlichkeit und Authentizität legen. Wer Ihnen hingegen eine positive Eigenschaft, zum Beispiel Perfektionismus, als vermeintliche Schwäche verkaufen will, ist vermutlich wenig selbstreflektiert und sucht Fehler selten bei sich selbst.
Unpassende Rückfragen im Dialog
Austausch im Bewerbungsgespräch bedeutet auch, dass Kandidat:innen Rückfragen an Sie richten können. Achten Sie hierbei genau darauf, welche Fragen Ihnen gestellt werden. Wenn Bewerber:innen beim Recruiting-Gespräch nur an Vorteilen wie Rabatten oder der privaten Nutzung des Firmenwagens Interesse zeigen, nicht aber an der Unternehmenskultur oder gar an den Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle – dann ist Vorsicht geboten.
Keine Rückfragen am Ende des Bewerbungsgesprächs sind hingegen nichts grundsätzlich Negatives. Möglicherweise haben Sie alle Fragen Ihres Gegenübers bereits beantwortet.
Falsche Erwartungen an die ausgeschriebene Stelle
Ein wichtiger Faktor im Recruiting-Prozess, den es während des Bewerbungsgespräches abzutasten gilt: die Erwartungshaltung der Kandidat:innen. Passen die Erwartungen von Bewerber:innen nicht zur Stellenausschreibung, ist das für Personalverantwortliche ein großes Warnsignal.
Deshalb sollten Sie frühzeitig und transparent über Aspekte wie Fortbildungen und Aufstiegschancen sprechen. So können Sie verhindern, dass neu Eingestellte Ihr Unternehmen gleich wieder verlassen, weil sie mit ihren Perspektiven unzufrieden sind.
Auch im Falle einer Überqualifikation sollten Sie im Bewerbungsgespräch unbedingt herausfinden, mit welchen Erwartungen sich Kandidat:innen bei Ihnen beworben haben. Überschätzt ein:e Bewerber:in womöglich die Komplexität der Stelle? Dann wäre er oder sie nach wenigen Wochen in Ihrem Unternehmen wohl enttäuscht. Oder ist das Ziel der Jobsuche eine berufliche Entlastung? Dann könnte es mit dem:der Kandidat:in funktionieren!
Fazit: Warnsignale für Recruiter:innen sind vielseitig
Es gibt einige Aspekte, auf die Sie als Recruiter:in achten sollten, um Fehleinstellungen zu vermeiden und damit Zeit und Kosten zu sparen – hier noch einmal für Sie zusammengefasst:
- Lücken im Lebenslauf oder häufige Jobwechsel müssen nicht zwangsläufig zu Ausschlusskriterien werden.
- Auf alarmierende Signale sollten Sie im Bewerbungsgespräch mithilfe gezielter Rückfragen eingehen. So können Sie entweder Ihre Meinung festigen oder Vorbehalte aus dem Weg räumen.
- Zu guter Letzt: Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl. Recruiting ist und bleibt ein „People Business“.