Wie die Arbeitsbedingungen auch im Handwerk attraktiver werden können
In Deutschland sind Handwerksberufe hoch angesehen. Man ist stolz auf Kulturgüter wie Fachwerk, Walz und Sauerteig. Zudem sorgt das duale Ausbildungssystem für einen einzigartigen Qualitätsstandard.
Trotzdem fehlt es an Auszubildenden, Gesell:innen und Meister:innen. Ein Grund dafür: Wer einen Handwerksberuf wählt, entscheidet sich damit oft auch für wenig zeitliche und räumliche Flexibilität oder die gesundheitlichen Folgen der körperlichen Belastung.
Fachkräftemangel spitzt sich im Handwerk besonders zu
Für Handwerksbetriebe geht es beim sogenannten War for Talents also nicht nur darum, sich gegenüber der direkten Konkurrenz zu behaupten, sondern auch die Abwanderung von Fachkräften zu verhindern und den Nachwuchs nicht an andere Branchen zu verlieren.
Immer mehr Betriebe haben das erkannt und beschäftigen sich mit New-Work-Methoden, um die Attraktivität als Arbeitgebende zu steigern.
New Work ist Lösung und Herausforderung zugleich
Remote im Homeoffice zu arbeiten oder gar als digitale:r Nomad:in zu leben, ist in den meisten Handwerksbetrieben natürlich nicht möglich.
Aber nicht das allein ist New Work: Mehr Agilität zu wagen, kann genauso bedeuten, in einer Bäckerei mit zeitversetzten Schichten flexible Arbeitszeiten und Wunschdienstpläne zu ermöglichen. Oder aber erst einmal betriebsübergreifend die Fünftagewoche zu etablieren.
In Branchen, die auf eine teils Jahrhunderte währende Tradition zurückblicken, können Umstellungen herausfordernd sein. Schließlich verändern sich mit den Methoden auch Hierarchien und die Unternehmenskultur. Da diese Veränderungen allerdings nicht nur zu mehr Mitarbeitendenzufriedenheit und einer generellen Attraktivitätssteigerung der Handwerksberufe führen, rechnet sich der Mehraufwand auch anderweitig:
Plus an Agilität macht Handwerksbetriebe reaktionsfähiger
Wer New Work richtig macht, schafft auch im Handwerk Win-Win-Situationen. Als Meister:innen zukunftsfähig führen, heißt beispielsweise, Verantwortung an Mitarbeitende abzugeben. Und das zeigt nicht nur Wertschätzung, sondern fördert auch die Expertise der Mitarbeitenden und damit einen echten Unternehmenswert.
Schließlich steigt die Reaktionsfähigkeit auf unvorhergesehene Schwankungen in der Auftragslage deutlich, wenn mehrere Personen im Unternehmen dazu befähigt und darin geübt sind, Entscheidungen zu treffen.
Außerdem kann es sich lohnen, bei der Entwicklung neuer Produkte und Workflows, das im Handwerk übliche Top-Down-Prinzip an manchen Stellen zu hinterfragen. Denn auch der Input, den ein:e Auszubildende:r aus der Berufsschule mitbringt, kann beispielsweise die Produktivität oder Wirtschaftlichkeit eines Betriebes steigern. Und nur wenn die stimmt, bleibt genug Raum, die eigene Tradition zu bewahren und zu fördern.
Denken Sie beim Begriff New Work an Tischlerbetriebe oder Bäckereien? Auch im Handwerk werden längst agilere Arbeitsmodelle ausprobiert, um dem Auszubildenden- und Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen.
Quereinsteiger:innen mit New-Work-Erfahrung helfen bei der Bewahrung echter Handwerkstradition
Etwas mit den Händen zu erschaffen, erzeugt das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Und genau das fehlt vielen Arbeitnehmenden in nicht-handwerklichen Berufen. Manchen fehlt es sogar so sehr, dass sie sich auf dem zweiten oder dritten Bildungsweg für eine Berufsausbildung in einem Traditionshandwerk entscheiden.
Weil sie oftmals bereits Erfahrung mit New-Work-Ansätzen mitbringen und sich aus voller Überzeugung und ohne Druck für ihr Handwerk entschieden haben, sind diese Menschen besonders wertvoll für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von Handwerkstradition.
Auch wenn manchen Meister:innen die Vorstellung befremdlich erscheinen mag, dass die neuen Auszubildenden bereits älter als sie selbst sind, ist diese Form gelebter Altersdiversität eine große Chance. Denn so können offene Ausbildungsplätze im Handwerk wieder besetzt und Betriebe dauerhaft fit für die Zukunft gemacht werden.
New Work im Handwerk – das Wichtigste auf einen Blick
Auch wenn im Handwerk nicht jede New-Work-Methode anwendbar ist, entstehen durch mehr agilere Strukturen und Arbeitsweisen viele Vorteile:
- Beim Werben um Fachkräfte differenzieren sich New-Work-Handwerksbetriebe von der Konkurrenz.
- Neue Methoden schaffen neue Denkweisen und damit bessere Reaktionsfähigkeit auf Unvorhergesehenes.
- New Work macht Betriebe interessant für ältere Quereinsteiger:innen, die offene Ausbildungsplätze wieder besetzen.