Laterale Führung und Führung auf Augenhöhe: Was ist der Unterschied?
Beim Begriff laterale Führung denken viele an das Prinzip „Führung auf Augenhöhe“. Das ist so bekannt, da es mittlerweile in vielen Unternehmen etabliert ist. Die laterale Führung unterscheidet sich jedoch in einigen Punkten:
Führung auf Augenhöhe
Bei der Führung auf Augenhöhe begegnen Personalverantwortliche Mitarbeitenden in einer flachen, aber fest definierten Hierarchie. Das gewährleistet einerseits, dass Führende nah genug am Arbeitsalltag ihrer Abteilung sind, um Potenziale und Herausforderungen zu erkennen und zu benennen. Andererseits verkürzt es Dienstwege, da die Mitarbeitenden im täglichen Austausch mit ihrer Führungsebene zu allen aktuellen Projekten stehen. Die Entscheidungstragenden sind bei der Führung auf Augenhöhe die Personalverantwortlichen.
Laterale Führung
Bei der lateralen Führung stehen Führende und Mitarbeitende in einer dynamischen Hierarchie. Die festen Abteilungen rücken zu Gunsten projektbezogener Teams in den Hintergrund. Innerhalb eines Projekts kann führen, wer am besten dafür geeignet ist. Personalverantwortliche unterstützen ihre Mitarbeitenden dann von außerhalb des Projekt-Teams. Sie helfen beim Aufsetzen der projektbezogenen Hierarchie und Dienstwege oder coachen – in die fachlichen Entscheidungen innerhalb des Teams haben sie in der Regel aber nicht einzugreifen.
Die dynamische Hierarchie der lateralen Führung ermöglicht Mitarbeitenden echtes fortwährendes Lernen und maximale Flexibilität in sicheren Rahmenbedingungen.
Die Führungskompetenz der Zukunft ist lateral – die Vorteile vielseitig
Wer Führungsexpertise nicht mehr nur bei fest definierten Personalverantwortlichen fördert, wird sich künftig verschiedene Vorteile der lateralen Führung nutzbar machen:
Unternehmen haben eine bessere Reaktionsfähigkeit auf kurz- und mittelfristige Entwicklungen
Laterale Führung lässt Unternehmen Expertisen erkennen und nutzen, von denen die eigenen Personalabteilungen eventuell gar nicht wussten. Schließlich werden in dynamischen Hierarchien nicht nur das Fachwissen, sondern auch Soft und Social Skills sowie die Mitarbeiter:innenpersönlichkeit sichtbarer.
Vielleicht sitzen auch bei Ihnen schon längst Expert:innen in Sachen Social-Media-Marketing oder E-Mobility, von denen Sie noch nichts wissen.
Fehlentscheidungen werden früh erkannt, korrigiert und in Zukunft vermieden
Da bei der lateralen Führung Verantwortungen stärker differenziert werden, gibt es auch mehr Teilverantwortliche. Diese überprüfen sich gegenseitig konstruktiv nach dem Peer-Review-Prinzip, das in der Wissenschaft zur Qualitätssicherung angewandt wird. Dadurch reduziert sich nicht nur die Gefahr folgenschwerer Fehlentscheidungen – es erhöht sich auch die Anzahl an Lösungsansätzen, sollte doch mal ein Problem auftreten.
Mitarbeitenden werden vielseitigere Entwicklungschancen geboten
Gerade in Anbetracht von Fachkräftemangel und dem „War for Talents“ werden verlässliche Mitarbeitende oder Freelancer:innen mit der passenden Expertise zu einem knappen Gut. Sie anzuwerben und nachhaltig zu binden ist aber nicht nur eine Frage der Vergütung, sondern auch der Entwicklungsperspektiven. Sind laterale Führungskompetenz und Augenmerk auf Soft Skills in einem Unternehmen angekommen und etabliert, erweitert sich hier das Angebot um ein Vielfaches.
Schließlich werden die Mitarbeitenden in den verschiedenen Projekten mit verschiedenen Menschen auch viele verschiedene Arbeitsstile und Aufgabenbereiche kennen lernen. In einer klassisch geführten Abteilung hätten sie viel weniger Berührungspunkte zu anderen Denkweisen. Die dynamische Hierarchie der lateralen Führung ermöglicht Mitarbeitenden echtes fortwährendes Lernen und maximale Flexibilität in sicheren Rahmenbedingungen.
Die Voraussetzungen für lateralen Führungserfolg
In der Regel haben Führende beim lateralen Führen keine formelle Weisungsbefugnis. Ohne diesen elementaren Machtfaktor ist es eine echte Herausforderung, Autorität zu verkörpern und zu behaupten. Schließlich ist der Führungsstil der Zukunft vielschichtiger und bedarf mehr Sensibilität als das Führen entlang der Befehlskette. Und so sind es auch vermeintlich „weiche“ Faktoren, die den Unterschied machen:
- Gemeinsame Denkebenen sind die Grundlage, um Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen zusammenzubringen. Führende müssen die Perspektiven verschiedener Gewerke nachvollziehen und verstehen können und gegebenenfalls vermitteln. Hier ist es besonders wichtig, „die gleiche Sprache“ zu sprechen. Sorgen Sie beispielsweise dafür, dass zentrale Fachbegriffe fest definiert sind, um Missverständnissen vorzubeugen.
- Die Akzeptanz gemeinsamer Regeln ist von besonders wichtiger Bedeutung. Bei der lateralen Führung ist ein festes Regelwerk genauso wichtig wie in strengeren Hierarchien. Ohne Weisungsbefugnis wird es aber nicht gelingen, einem Team Regeln zu diktieren. Das gemeinsame Erarbeiten von Regeln, die von allen Beteiligten getragen und gelebt werden, ist der Grundstein erfolgreicher Zusammenarbeit. Die Moderation dieses Prozesses liegt im Verantwortungsbereich der führenden Person.
- Feste Ziele, die deutlich und regelmäßig kommuniziert werden, sind das Rückgrat erfolgreicher Arbeitsprozesse. Da bei lateral geführten Projekten viele verschiedene Interessen und Denkweisen aufeinandertreffen, ist es besonders wichtig, Ziele schon vor dem ersten Tag der Zusammenarbeit definiert zu haben.
- Die Wertschätzung abweichender Sichtweisen ist gerade für die führende Person absolut unumgänglich. Möchten Sie ohne Personalverantwortung ein Projekt zum Erfolg führen, ist Rationalität entscheidend. Und die besagt: In den meisten Konflikten haben beide Parteien recht – da hilft Mediation. Bei der lateralen Führung liegt die in der Verantwortung der Führenden. Außerdem sollten auch die Kolleg:innen aktiv dazu angeregt werden, Beiträgen zur Sache mit Wertschätzung zu begegnen.
3 Instrumente der lateralen Führung
Die Instrumente, die bei der lateralen Führung das Fehlen verbindlicher Anweisungen kompensieren, lassen sich in verschiedene Teilgebiete gliedern. Drei der Gängigsten sind hier in ihren Grundschemen zusammengefasst:
1. Offene Denkgebäude
- Klären Sie die individuellen Ziele, Interessen, Werte und Herausforderungen der Projektbeteiligten.
- Informieren Sie sich über die Arbeitsweisen und Entscheidungsverfahren der beteiligten Gewerke.
- Schaffen Sie einen Arbeitsrahmen, der gleichermaßen die individuellen Bedürfnisse und strukturellen Gegebenheiten abbilden kann.
2. Kommunikation im Dialog
- Schaffen Sie Verständigungsbrücken zwischen den Zusammenarbeitenden. Das kann das richtige Technik-Setup aber auch das wöchentliche Update-Meeting sein.
- Regen Sie zum Dialog an, indem Sie Sachverhalte gemeinsam diskutieren, anstatt sie alleine zu präsentieren oder präsentieren zu lassen.
3. Vertrauen fördern
- Identifizieren Sie Teilfelder Ihres Projektes mit geringem und hohem Risiko.
- Artikulieren Sie Ihr Vertrauen in das Projekt und die Beteiligten.
- Beobachten Sie die Zusammenarbeit an Teilfeldern mit geringem Risiko, um Vertrauenslücken zu entdecken.
- Sprechen Sie einzeln mit den Beteiligten, sollten Sie eine Vertrauenslücke entdeckt haben.
- Wiederholen Sie das Vorgehen mit jedem weiteren Teilfeld.
Laterale Führung: der Schnellcheck zu Chancen und Herausforderungen
Abteilungsübergreifende Projekte werden heute immer häufiger nicht mehr von Personalverantwortlichen mit Weisungsbefugnis geführt. Für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden ist die laterale Führung eine Chance; gleichzeitig gilt es aber auch, einiges zu beachten. Die wesentlichen Punkte haben wir Ihnen noch einmal zusammengefasst:
- Führen auf Augenhöhe und laterale Führung sind nicht gleichzusetzen
- Laterale Führung schafft für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden Flexibilität und Entwicklungschancen
- Für erfolgreiche laterale Führungen müssen Grundvoraussetzungen etabliert werden
- Es gibt Instrumente mit fest definierten Handlungen, die das laterale Führen erlernbar machen