Naturparks in Deutschland: Wo sich Mensch und Umwelt im Einklang erholen

Ein kleiner Bach in einem Wald zwischen Bäumen und moosbewachsenen Steinen
Kristina Festring-Hashem Zadeh
Kristina Festring-Hashem Zadeh
Der Waldboden gibt angenehm unter deinen Stiefeln nach, es duftet nach Moos und feuchter Erde. Neben dem Weg plätschert ein kleiner Bach. „Tok, tok, tok“ – war das ein Specht? Du blickst nach oben und siehst über dir ein Dach aus Laub in vielerlei Grüntönen, Sonnenstrahlen blinzeln hindurch und Eichhörnchen huschen durch die Baumkronen. Wie lange bist du eigentlich schon unterwegs? Bei deiner Wanderung durch den Naturpark vergisst du Zeit und Raum. Mehr als 100 von ihnen gibt es in Deutschland. Ein Überblick.
  1. „Zum Besten wanderfroher Jugend“: Die Erfolgsgeschichte der Naturparks
  2. Pack die Badehose ein: Naturparks an der Küste
  3. Wunderbare Wasserwelten: Naturparks an Seen und Flusslandschaften
  4. Über Stock und Stein: Naturparks im Gebirge
  5. Wildromantische Wälder: Besonders baumreiche Naturparks
  6. Violette Blütenpracht: Naturparks in der Heide
  7. Grenzenlos gewachsen: Internationale Naturparks
  8. Naturparks in Deutschland: Immer einen Ausflug wert

„Zum Besten wanderfroher Jugend“: Die Erfolgsgeschichte der Naturparks

Die Geburtsstunde der heute so zahlreichen Naturparks in Deutschland schlägt am 6. Juni 1956. In der Aula der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn treffen sich an diesem Tag die Mitglieder des Vereins Naturschutzpark e.V. (VNP) zur Jahresversammlung. Auch Prominente sind unter den Anwesenden, etwa der damalige Bundespräsident Theodor Heuss. Ans Rednerpult tritt Alfred Toepfer, weltweit erfolgreicher Getreidehändler aus Hamburg und Vorsitzender des VNP.

Toepfer verkündet große Pläne: Mindestens 25 geschützte Naturparks sollen in Deutschland entstehen, „zum Besten wanderfroher Jugend und zum Nutzen von Forschung und Lehre“. Seine Vision erntet viel Applaus – und entwickelt sich in den Folgejahren zu einer Erfolgsgeschichte sondergleichen.

Den Anfang macht noch im selben Jahr der Naturpark Lüneburger Heide, dessen Schutz dem Hanseaten Toepfer ein persönliches Anliegen ist – seine Mutter stammt von einem Bauernhof aus dieser Region.

Dann geht es Schlag auf Schlag: Bereits 1964 sind nach Toepfers Idee deutschlandweit 25 „großräumige, lärmgeschützte Naturparks zum Wohle der Erholungssuchenden“ entstanden. Bis zur Wiedervereinigung 1990 steigt die Zahl der Naturparks auf 64, Anfang der 2020er-Jahre sind es in Gesamtdeutschland mehr als 100.

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Ursprünglich war vorgesehen, durch die Einrichtung von Naturparks etwa 5 Prozent der Fläche der damaligen Bundesrepublik vor größeren Umweltschäden zu bewahren. Heute entspricht die Fläche der Naturparks etwa 27 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands.

Dass das eine Erfolgsgeschichte ist, können wohl alle nachvollziehen, die schon einmal einen Naturpark besucht haben. Denn egal, wo die Naturparks liegen: Ihre landschaftlichen Schätze bilden immer eine einzigartige Verknüpfung aus Naturschutz und Erholungsangebot. Zum Beispiel:

Sie alle laden Besucher:innen zu Freizeitaktivitäten im Einklang mit der Umwelt ein. Zum Beispiel zum Wandern, Nordic Walking, Radfahren, Reiten, Rudern, Segeln, Schwimmen und Skifahren.

Lila Heideflächen im Sonnenlicht, im Hintergrund ein Waldgebiet

Was ist ein Naturpark?

Aber was genau ist das Spezifische eines Naturparks? Offiziell definiert seit 1976 das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die Rahmenbedingungen für einen Naturpark. Demnach sind Naturparks einheitlich zu entwickelnde und zu pflegende Gebiete, die:

Davon abgesehen sollen sie der Bildung rund um das Thema nachhaltige Entwicklung dienen sowie unter Beachtung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege geplant, gegliedert, erschlossen und weiterentwickelt werden.

Was der Gesetzestext trocken umreißt, zeigt sich in der Realität als einzigartige Mischung aus Umweltschutz, Tourismus und regionaler Entwicklung. Verteilt auf geografisch höchst unterschiedliche Regionen, fasziniert jeder Naturpark auf ganz eigene Art.

Pack die Badehose ein: Naturparks an der Küste

Du magst das Rauschen von Wellen und eine kühle Meeresbrise, die dir das Haar zerzaust? An der deutschen Ostseeküste finden sich einige traumhafte Naturparks, unter anderem der nördlichste Naturpark Deutschlands, der Naturpark Schlei. Dort führt dich der Naturparkwanderweg entlang wilder Steilkanten und durch ausgedehnte Röhrichtbestände. Pack im Sommer auf jeden Fall dein Badezeug ein, um in einer der kleinen Buchten haltzumachen und ins Wasser zu springen.

Wenn du lieber auf als im Wasser bist und dir gern bei einem Segeltörn den Kopf freipusten lässt, solltest du den Naturpark Am Stettiner Haff besuchen. Das Gebiet gilt als Segelparadies und grenzt nicht nur an Polen, sondern auch an ein weiteres wunderschönes Schutzgebiet: den Naturpark Insel Usedom.

Ein Reetdachhaus an einem See, am Ufer Schilf

Naturpark oder Nationalpark? Das ist der Unterschied

  • Bei Naturparks handelt es sich in der Regel um eine Mischung aus Kultur- und Naturlandschaften, die zum Teil bewohnt sind und vom Menschen bewirtschaftet sowie touristisch genutzt werden.
  • Im Unterschied dazu sind Nationalparks großflächige geschützte Naturräume. Sie dienen in erster Linie als Rückzugsorte für wildlebende Pflanzen und Tiere, eine wirtschaftliche Nutzung durch den Menschen ist weitgehend ausgeschlossen.
  • Deutsche Nationalparks internationalen Ranges sind zum Beispiel der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, zugleich UNESCO-Weltnaturerbe, und der Nationalpark Berchtesgaden.

Wunderbare Wasserwelten: Naturparks an Seen und Flusslandschaften

Zwar kein echtes Meer, dafür den größten Binnensee Nordwestdeutschlands bietet der Naturpark Steinhuder Meer. Das namensgebende, etwa 30 Quadratkilometer große Gewässer und die Feuchtwiesen im Herzen des Naturparks sind ein Paradies für Wasservögel wie See- und Fischadler oder Silberreiher, die sich im Winter zeitweise zu Hunderten dort aufhalten. Auch alle, die Erholung am und im Wasser schätzen, werden sich in der reizvollen Landschaft beim Schwimmen, Segeln, Surfen oder Wandern wohlfühlen.

Ähnlich traumhaft ist der schleswig-holsteinische Naturpark Lauenburgische Seen, dessen Fließgewässer mit ihren bewaldeten Ufern du zum Beispiel beim Rudern oder Stand-up-Paddling entdecken kannst. Sage und schreibe 180 Seen findest du im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land. Auch der Brandenburger Naturpark Nuthe-Nieplitz vor den Toren Berlins ist stark von Wasser geprägt.

Das größte zusammenhängende Feuchtbiotop des europäischen Binnenlandes findest du im brandenburgischen Naturpark Westhavelland, der mit der Havel, ihren Nebenflüssen und Seen zu den wasserreichsten Regionen Deutschlands zählt.

Und dieser Park ist nicht nur tagsüber spektakulär. Nachts wird es dort so dunkel, dass du bei wolkenlosem Himmel sogar die Milchstraße sehen kannst. Ein klarerer Sternenhimmel kommt dir in Deutschland sonst kaum vor dein Teleskop.

Über Stock und Stein: Naturparks im Gebirge

Wandern in den Bergen hat seine ganz eigene Faszination. Egal, wie lange es bergauf geht und wie anstrengend der Weg auch sein mag: Am Ende belohnt dich eine grandiose Aussicht. Unzählige Möglichkeiten zum Bergsteigen und zum Mountainbiken bieten dir die vielen im Gebirge liegenden Naturparks in Deutschland.

Vor allem die Mittelgebirge beherbergen häufig Schutzgebiete, etwa zwei Naturparks in NRW: der Naturpark Siebengebirge und der Naturpark Teutoburger Wald/Eggegebirge. Oder in Hessen der Naturpark Taunus.

Ein Geheimtipp zum Klettern ist der Naturpark im Zittauer Gebirge mit seinen bizarren Felsformationen. Das Gebirge ist als kleinstes deutsches Mittelgebirge zwar weniger bekannt, aber ebenso faszinierend wie seine große Schwester, die Sächsische Schweiz, also der deutsche Teil des Elbsandsteingebirges mit seinen herrlichen Wandermöglichkeiten.

Liegt Schnee, kannst du in vielen Naturparks Wintersport treiben, zum Beispiel im Naturpark Fichtelgebirge im Nordosten Bayerns oder im Schutzgebiet der Ammergauer Alpen.

Felsformationen und Wald vor blauem Himmel

Wildromantische Wälder: Besonders baumreiche Naturparks

„Ich ging im Walde so für mich hin und nichts zu suchen, das war mein Sinn“: Schon Goethe wusste die meditative Kraft eines Waldspaziergangs zu schätzen. Etwa ein Drittel der gesamten Fläche Deutschlands ist bewaldet, und damit prägen kleinere und größere Wälder auch fast sämtliche Naturparks. Ideale Ausgangsbedingungen auch fürs tiefenentspannende Waldbaden.

Einige sind allerdings besonders waldreich, etwa der größte Naturpark Deutschlands, der den Wald passenderweise schon im Namen trägt: der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord. Umgeben von Bäumen bist du ebenso weiter südwestlich: im Naturpark Südschwarzwald, in dem du zum Beispiel die wildromantische Wutachschlucht durchwandern kannst.

80 Prozent des Schwarzwalds, des größten zusammenhängenden Mittelgebirges in Deutschland, besteht aus Fichten und Tannen – im Sommer wie im Winter ein Paradies für Wanderfans.

Ein Wasserfall fließt über einen moosigen Felsen

Dicht bewaldet ist auch der mythenreiche Spessart, das größte zusammenhängende Gebiet aus Laubmischwäldern in Deutschland. Es ist unterteilt in zwei Schutzgebiete: den Naturpark bayerischer Spessart und den hessischen Spessart. Die Gebrüder Grimm stammen von hier, heute ist das Waldgebiet vor allem für Biker:innen sagenhaft interessant. Als weiterer Grimmscher Märchenwald gilt auch der Naturpark Habichtswald bei Kassel.

In Sachen Wald hervorzuheben ist zudem der Naturpark Bayerischer Wald. Mit seinen namensgebenden Bergmisch- und Fichtenwäldern ist er Teil eines der größten geschlossenen Waldgebiete in Mitteleuropa und Rückzugsort für Luchse, Mopsfledermäuse und andere seltene Tiere sowie zahlreiche geschützte Pflanzenarten.

Rekorddrache haust im Naturpark Bayerischer Wald

Furth im Wald an der tschechischen Grenze beherbergt einen Drachen, über den selbst Hollywood staunt: 4,5 Meter hoch, 15,5 Meter lang und fast 4 Meter breit ist der größte vierbeinige Schreitroboter der Welt. Der bewegliche Drache mit einer Flügelspannweite von 12 Metern ist Hauptdarsteller im Traditionsstück „Drachenstich“ und außerhalb der Saison in einer Höhle auf dem Festspielplatz zu bewundern.

Violette Blütenpracht: Naturparks in der Heide

Welch eine Pracht: Wenn im August die Heide blüht, sehen die offenen Flächen des Naturparks Lüneburger Heide und die des angrenzenden Naturparks Südheide bei Celle aus wie mit einem violetten Teppich überzogen. An diese eher karge Landschaft mit nährstoffarmen Böden haben sich einige Tier- und Pflanzenarten angepasst, darunter die Schafrassen wie Moor- und Heidschnucke.

Im brandenburgischen Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft gibt es teils bizarr geformte Kulturlandschaften, die durch den Abbau von Braunkohle entstanden sind.

Wie unterschiedlich Heidelandschaften sein können, zeigt im Vergleich der Naturpark Dübener Heide in Sachsen-Anhalt. Du findest kaum offene Flächen, es handelt sich um eine von Mischwald geprägte Landschaft mit Kiefern, Buchen und Eichen. Doch auch hier blüht auf dem charakteristischen Sandboden das typische Heidekraut.

Eine Heidefläche im Morgennebel

Grenzenlos gewachsen: Internationale Naturparks

Da die Natur sich nicht an menschengemachte Grenzen hält, erstreckt sich mancher Naturpark über verschiedene Bundesländer, etwa der Naturpark Dümmer in NRW und in Niedersachsen.

Und auch über Staatsgrenzen wachsen einige der Schutzgebiete hinweg, darunter einer der deutschlandweit ersten, der Naturpark Südeifel. Dieser Naturpark, der zum Teil in Deutschland, zum Teil in Luxemburg liegt, wurde 1958 zugleich der erste europäische Naturpark. Weitere internationale Naturparks sind:

Blätterlose Bäume in einem Hochmoor

Naturparks in Deutschland: Immer einen Ausflug wert

Warum in die Ferne schweifen, wenn der Naturpark so nah liegt? Verteilt über das gesamte Bundesgebiet, bieten dir die vielen verschiedenen Naturparks in Deutschland fantastische Möglichkeiten, an der frischen Luft im doppelten Sinne durchzuatmen und den Alltag hinter dir zu lassen.

Je nach Vorliebe kannst du am Wasser oder in den Bergen aktiv sein oder es geruhsam angehen. Am schönsten und nachhaltigsten ist es, einen Naturpark bei einer mehrtägigen Auszeit kennenzulernen, in den Gaststätten regionale Speisen zu probieren und sich einfach zu erholen. Ganz im Sinne von Naturparkvater Alfred Toepfer.

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