Nahezu lautlos trägt mich der MINI Cooper SE Countryman ALL4 durch die Straßen von Dresden. Vorbei an der Semperoper, die Elbe linker Hand. Die Energie aus den Akkus, so verrät die Anzeige im Armaturenbrett, reicht für über 200 Kilometer. Gerade erwacht die Region, der einst Ewig-Kanzler Helmut Kohl „blühende Landschaften“ voraussagte, zum Leben. Diese Worte stammen aus seiner Rede im Jahr 1990, nachdem ein Jahr zuvor die innerdeutsche Grenze gefallen war und eine Nation wieder zusammenwuchs, die nie hätte getrennt sein sollen.
Das ist jetzt 32 Jahre her und die Student:innen, die gerade lachend am Fenster des MINI vorbeiziehen, kennen die Deutsche Demokratische Republik nur aus Erzählungen. Von denen, die sie noch erlebt haben, hat es für diese Veränderung viel Mut verlangt – denn all das hier stand mal in einem anderen Land.
Mut ist der Sprit – oder der Strom – für den Motor der Veränderung. Daran muss ich denken, als ich den MINI im Dresdner Stadtteil Neustadt vor einem farbenfrohen Wandbild zum Stehen bringe.
Die Stadt an der Elbe hat seit jeher eine aktive Graffiti-Szene – besonders in der Neustadt. Hier zieren mehrstöckige Gemälde die Wände der Häuser. Graffiti waren schon immer – neben dem rein dekorativen Zweck – ein Mittel der Jugend, sich eine Stimme zu geben, oft auch eine politische.
Und Graffiti sind, nicht erst seit Banksy, salonfähig. An der Mauer zum Kulturzen-trum „Katys Garage“ steht, mit dem Rücken zu mir, eine Person mit einer Spraydose in der Hand. Baggy-Hose, Hoodie, Kapuze über dem Kopf. Es riecht nach frischer Farbe. Die Person dreht sich um und lächelt mich an. Siehe da, ein junges Mädchen, ihre langen blonden Haare fallen seitwärts aus der Kapuze. In großen Buchstaben hat sie „Overcome prejudice“ – also „Überwinde deine Vorurteile“ – an die Mauer gesprüht.
Enver Büyükarslan kann die kleine Mauer und das junge Mädchen nicht sehen, dafür aber die ganze Stadt überblicken. Und er würde den Appell vermutlich unterschreiben. Enver steht auf dem Dach des Bürogebäudes mit der wohl außergewöhnlichsten Geschichte der Stadt. 1909 ließ der Fabrikant Hugo Zietz das Gebäude als Werbung für seine Tabak- und Zigarettenfabrik Yenidze (A) errichten – im orientalischen Baustil. Es sieht aus wie eine fantasievolle Moschee. Enver hat es 2014 gekauft.
„Als ich das Exposé öffnete, dachte ich, der Makler hat ein falsches Bild eingestellt“, sagt er und lacht. „Aber als ich mich mit der Geschichte des Gebäudes beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, was für ein fantastischer Zeitzeuge dieses Haus ist. Und ein Symbol, dass es immer einen Weg gibt.“ Er spricht damit Hugo Zietz, den Erbauer, an.
Dieser durfte so nah bei der Stadt eigentlich keine Fabrik errichten und umging das Verbot mit seiner Fantasie-Moschee, deren Minarette Schornsteine waren. Wo einst aus Tabak Zigaretten wurden, sind heute Büros eingezogen und die Kuppel beherbergt ein Restaurant. „Ich sammle alles zu der Marke Yenidze, denn irgendwann möchte ich hier ein kleines Museum eröffnen“, sagt Enver. Auch als Symbol dafür, dass die Zukunft in den eigenen Händen liegt.
Meine Reise führt mich raus aus der Stadt und auf die Deutsche Alleenstraße in Richtung Westen. Helmut Kohl hatte recht, die Landschaften blühen. Und so gibt es auch in Plauen Orte, an denen die Menschen ihre Zukunft selbst bestimmt haben – und das auch weiterhin machen werden. Das Malzhaus (B): Erbaut wurde die Burg um 1200.
Sie wurde niedergebrannt, geplündert, von Bomben getroffen und immer wieder aufgebaut. All das steht auf einer türgroßen Tafel am Eingang. „Und wir hatten hier zu Zeiten der DDR nachweislich 45 IMs“, sagt Tommy Ziegenhagen, der gerade mit einem Kaffee in der Hand aus der Burg tritt. Er kümmert sich in dem Kulturzentrum um das tägliche Geschäft und ist das Gedächtnis des Gebäudes.
Der 46-Jährige versuchte schon als Jugendlicher, sich ins Malzhaus zu schummeln, als er eigentlich noch zu jung war. „Der Club Malzhaus etablierte sich in den 1970er-Jahren als ernst zu nehmender Faktor in der Plauener Kulturszene“, sagt Tommy. „Und wurde dann als konterrevolutionäres Zentrum im Juli 1982 vom Politbüro geschlossen.“
Erst nach der Maueröffnung und der Gründung einer Bürgerinitiative fanden langsam wieder Konzerte und kulturelle Veranstaltungen statt. So gab Rio Reiser, der König von Deutschland, sein letztes Konzert im Malzhaus. „Wir sind heute politisch nicht mehr aktiv, verstehen uns aber mehr denn je als Ort der Zusammenkunft“, sagt Tommy. Und fügt hinzu: „Für alle Generationen.“ Ein Ort für alle. Ein schöner Gedanke.
Durch das große Fenster der klein & fein Patisserie (C) kann Caroline Lange direkt auf das Malzhaus blicken. 24 Sitzplätze, eine kleine Theke und viel Rosa – eben klein und fein. Und auch sie hat damit einen Ort für alle geschaffen. Zumindest für alle, die Süßes mögen. Caroline wurde in Plauen geboren und absolvierte eine Ausbildung zur Modeschneiderin. Aber sie träumte von mehr. Mehr Selbstständigkeit, mehr Kreativität. „Ein Backbuch brachte mich auf die Idee, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen“, sagt sie.
Und so begann Caroline 2014 ihre Meisterausbildung zur Konditorin und eröffnete 2020 ihr kleines Familienunternehmen – denn Mutter Evelin hilft kräftig mit. Mit ihrer Patisserie bringt sie nun französisches Flair und einen Hauch Internationales nach Plauen. Ihre Süßspeisen sind mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus berühmt. Zum Abschied gibt sie mir ein kleines Päckchen mit einer Auswahl von sechs Macarons mit. „Energie für die Fahrt“, sagt sie, „und da ist auch mein persönlicher Favorit dabei, das mit Salzkaramell-Ganache.“
Über sanfte Hügel und weiche Kurven führt mich mein Weg nach Weimar – von Sachsen nach Thüringen. Auf halbem Weg stelle ich fest: Caroline hat recht, ihre Macarons mit Salzkaramell-Ganache sind ein Traum. Am Ziel angekommen, bringe ich den MINI am Park an der Ilm zum Stehen. Die letzten Meter gehe ich zu Fuß. Mein Ziel: Goethes Gartenhaus (D). Es war 1776 sein erster eigener Wohnsitz in Weimar. Hier schrieb er die Ballade vom „Erlkönig“ und das Gedicht „An den Mond“.
Das zweistöckige Gebäude wirkt mit seinen 77 Quadratmetern Grundfläche von innen viel kleiner, als es von außen aussieht – und ist teilweise möbliert. Als wäre das Universalgenie gerade nur ein paar Tage verreist. „Irgendwie fühlt man sich Goethe nah in so einem intimen Umfeld, oder?“, fragt Felix Zühlsdorf, Referent für kulturelle Bildung der Klassik Stiftung Weimar. Stimmt, ich atme tief ein und fühle mich dem Dichter und Forscher irgendwie verbunden. Etwa 50.000 Besucher kommen im Jahr in dieses kleine Haus.
Ob es ihnen allen so geht? „Glücklicherweise wissen wir viel über Goethe“, sagt Zühlsdorf. „Er war sich früh seiner historischen Bedeutung bewusst und führte fast lückenlos Tagebuch.“ Daher weiß ich auch, dass Goethe an dem flüsterleisen Elektroantrieb des MINI seine helle Freude gehabt hätte. So schrieb er einst in sein Tagebuch, dass er die laute Stadt Weimar immer wieder in Richtung Gartenhaus verlassen würde, weil er die Ruhe zum Arbeiten bräuchte. Ich spüre, was er hier fand. Doch meine Reise ist noch nicht am Ende und führt mich in die Innenstadt.
Claudia Köcher steht vor ihrem Ladengeschäft und genießt die Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch die Weimarer Altstadt finden. Zu ihren Füßen die Hundedame Bella, hinter ihr steht auf der Scheibe in großen Buchstaben geschrieben: Die Zwillingsnadeln (E). Seit 2010 ist hier der Treffpunkt für außergewöhnliche Hut-Couture. „Ich liebe die 1920er- bis 1960er-Jahre, als alle Menschen noch Hüte trugen. Die Epoche inspiriert mich“, sagt Claudia. Sie fertigt alle Kopf-bedeckungen ihrer Kollektionen selbst an – von der Idee bis zur letzten Naht.
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Bevor sie sich selbstständig machte, war sie Kostümbildnerin beim Theater. Ihre handgefertigten Kreationen, für Frauen und Männer, tragen Namen wie „Starshine“ oder „O’zapft is“ und werden nicht selten gern getragene Sammlerstücke, da es – wenn die Materialien aufgebraucht sind – keine neuen gibt. Warum Weimar und nicht Paris? „Menschen, die solche Hüte suchen, kommen auch zu mir. Und ich habe in Weimar ein großes Netzwerk von Menschen, mit denen ich gerne zusammenarbeite – und ich weiß, wo ich bekomme, was ich brauche.“
Ich ziehe die Schiebermütze mit dem Namen „Mister Pretty Cool“ vom Ständer und mir den Schirm tief ins Gesicht. Das wäre ein guter Begleiter für meine weitere Reise, denke ich. „Die ist leider reserviert“, sagt Claudia. „Aber nächste Woche bin ich mit der neuen Kollektion fertig.“ Ich komme wieder, versprochen.
In einem weiten Bogen geht es durch lange Alleen von Weimar nach Leipzig – aus Thüringen zurück nach Sachsen. Leipzig, das neue Berlin, wie es genannt wird. Interessant, dass alles in eine Schublade passen muss, denke ich. Warum kann Leipzig nicht das neue Leipzig sein? Eine Quelle, aus der sich dieses neue Selbstverständnis speisen sollte, ist die Baumwollspinnerei. Hinter den alten, backsteinroten Fabrikmauern hat sich eine internationale Kunstszene niedergelassen.
1884 gegründet, war die Spinnerei nach mehreren Ausbaustufen mit sechs Hektaren damals eine der größten in Europa. Doch nach Krieg, Mangelwirtschaft und Enteignung wurde die Garnproduktion vier Jahre nach dem Mauerfall eingestellt. Dann begann die Wiederbelebung: durch die Kunst. Auf 100.000 Quadratmetern Fläche haben heute Künstler wie Neo Rauch oder Oskar Rink ihre Ateliers. Galerien bieten die Werke direkt vor Ort an.
Ich steuere den MINI auf das Gelände. Menschen bummeln, die Inspiration ist fast greifbar. In der Halle 14 (F) empfängt mich Sven Röder. Hier wird auf 2.400 Quadratmetern zeitgenössische Kunst ausgestellt und, anders als in den umliegenden Galerien, nicht verkauft. „Wir sind ein nicht kommerzielles Kunstzentrum“, sagt Sven. Seit 2002 gibt es die Einrichtung und sie ist damit nicht nur eine Heimat für die Kunst geworden, sondern auch für Künstler:innen. 16 Ateliers stehen nationalen wie internationalen Kreativen und Stipendiaten zur Verfügung.
Die 600 Quadratmeter große Empfangshalle ist eindrucksvoll und die Bibliothek sensationell kuratiert. In einer Regalwand stehen unzählige Ordner, die jeweils einen Namen der Künstler tragen, die auf dem Spinnereigelände arbeiten. „Hier sammeln wir alles über unsere Nachbarn“, sagt Sven und lächelt. Ich öffne den Ordner, auf dem „Neo Rauch“ geschrieben steht, und stelle mir vor, wie er gerade – nur wenige Meter entfernt – ein neues Kunstwerk erschafft.
Ich möchte diesen kreativen Ort intensiver erleben und steige für die Nacht in einem Meisterzimmer ab. Hier, mitten im kreativen Epizentrum, hat Manfred Mülhaupt ein kleines Hotel in der Baumwollspinnerei erschaffen. Vier individuelle Ateliers stehen Gästen zur Verfügung, ab 90 Euro die Nacht. Ich lasse mich rücklings aufs Bett fallen, blicke aus den großen Kastenfenstern, genieße das letzte Macaron und die Erkenntnis, dass Kunst als universelle Sprache immer ein verbindendes Element ist.
Nach einer traumreichen Nacht breche ich zu meiner letzten Etappe dieser Reise auf, es geht zurück nach Dresden. Im Caroussel Nouvelle, im Barockviertel der Stadt, wagt Chefkoch Sven Vogel ein kulinarisches Experiment. Er verbindet Sterneküche mit der Leichtigkeit eines Bistros – das Beste aus zwei Welten. Ich bestelle ein Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Gurken-Salat für 24 Euro. „Eine gute Wahl“, sagt Sven, „das ist einer unserer Klassiker.“
Es ist ein mutiges Konzept, denke ich, aber auch ein Symbolbild meiner Reise. Ich bin Menschen begegnet, die das Gegebene optimieren, Träume verwirklichen, Stillstand als Rückschritt verstehen und den Blick nach vorn richten. Nach einem unvergesslich leckeren Schnitzel mache ich noch einen kleinen Spaziergang und stehe plötzlich wieder an der Mauer vor dem Kulturzentrum „Katys Garage“. Es riecht nach frischer Farbe. Irgendwer hat „Overcome prejudice“ bereits wieder übersprüht. So ist es wohl, gelebter Wandel braucht keine Erinnerung daran.