- PREMIUM und SEEK: Klassisch Messe
- Der Berliner Salon: Streng kuratiert
- stilwerk KantGaragen: Lifestyle-Garage
- Das waren und sind die Highlightshows
- Die PLATTE.Berlin: Modeexperimente
- Labels to watch 2023
- Fashion Week Berlin: Mainstream und Avantgarde
- FAQ: Häufige Fragen und Antworten
PREMIUM und SEEK: Klassisch Messe
Der Berliner Fashion Week wurde in der Vergangenheit nachgesagt, es ginge mehr um Party als ums Business. Der Umzug der Messen PREMIUM für Contemporary Fashion und SEEK für junge progressive Labels in die klassischen Messehallen am Berliner Funkturm beweist das Gegenteil: Hier wird gearbeitet, Fachpublikum sichtet die Kollektionen. Was passt zu ihrem Geschäft, was bleibt, was ist neu?
Die Kölnerinnen Daniela Kempkes und Janina Braun besuchen die Berliner Modemesse als eine der fünf weltbekannten Fashion Weeks zum ersten Mal. Sie sind auf der SEEK unterwegs. Die beiden haben gerade ihr Sweatshirt-, T-Shirt- und Accessoirelabel Kreatur International gegründet. Nomen est omen: Tiermotive sind ihr Markenzeichen.
Was ist ihr Eindruck? „Für uns war es spannend, zu schauen, wie sich andere Labels präsentieren. Wir setzen uns insbesondere für den Artenschutz ein. Deshalb fanden wir die SEEK cool. The Conscious Club, ein Bereich für nachhaltige Labels, passt gut zu uns. Da könnten wir uns platzieren. Nachhaltige Produktion ist für uns selbstverständlich.“
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Gewissermaßen ein alter Hase auf der SEEK ist Marc Biggemann, Creative Director der Seidensticker Group. Neben den anderen Linien verantwortet er die junge, modisch-nachhaltige Kollektion Studio Seidensticker.
„Studio Seidensticker steht für unseren Anspruch, Seidensticker modisch weiterzuentwickeln, immer auf der Höhe der Zeit zu sein. Es ist eine genderneutrale Kollektion, die die Grenzen zwischen der Damen- und Herrenmode aufhebt“, erklärt Biggemann. „Viele Schnitte sind oversized, die Looks lässig, dabei aber angezogen. Neben der äußeren Form stimmen auch die inneren Werte. Alles wird nachhaltig produziert.“
Nachhaltigkeit ist das große Thema der Mode, auch der Berliner Fashion Week. Deshalb gibt es in den Messehallen die Nachhaltigkeitskonferenz The Berlin Fashion Summit, auf der das Thema 2023 facettenreich diskutiert wurde. Zum ersten Mal fand diese Konferenz im Rahmen von PREMIUM und SEEK statt. 45 internationale Speaker:innen stellten ihre Aktivitäten und Visionen in Sachen Nachhaltigkeit vor.
Der Berliner Salon: Streng kuratiert
Der Berliner Salon ist eine Gruppenausstellung, in der deutsche Designer:innen ihre Modelle präsentieren. Wer zur Eröffnungsparty kommt, trifft dort diejenigen Modekenner:innen, die er:sie treffen möchte. Der Berliner Salon ist der Treffpunkt der Branche, der gleich am ersten Tag der Fashion Week stattfindet. Nach der Eröffnung für geladene Gäst:innen können im Laufe der Woche weitere Modeinteressierte vorbeischauen.
Die Auswahl der 44 Designer:innen, die ihre Kollektionen zeigen, trifft die Vorsitzende des Fashion Council Germany und ehemalige Chefredakteurin der deutschen Vogue Christiane Arp. Initiiert wurde der Salon bereits 2015. Der Berliner Senat für Wirtschaft, Energie und Betriebe unterstützt die Veranstaltung, auf der es neben Kleidung auch Accessoires zu entdecken gibt.
Philipp Bree stellt eine Kollektion von Etuis, Pouches und Schreibtischunterlagen vor, die in Zusammenarbeit mit Lamy entwickelt wurden. „Die Objekte sind Ausdruck einer Haltung, sie tragen dazu bei, Gedanken festzuhalten“, sagt der Designer und Inhaber von PB0110. Die Accessoires bestehen aus pflanzlich gegerbtem und aus recyceltem Leder.
Ein Local Hero ist der Brandenburger Christian Metzner, der nach seinem Studium im Designteam von Philipp Bree gearbeitet hat. Auf dem Berliner Salon stellt er seine ungewöhnlichen handgefertigten Schmuckstücke aus Glas vor: minimalistisch designte Armbänder und Ketten, die wie kleine skulpturale Objekte wirken.
Christian Metzner ist das erste Mal Teilnehmer auf dem Berliner Salon. „Es ist ein toller Branchentreff, ich habe interessante Gespräche geführt. Gefreut hat mich besonders, dass der Stylist der Odeeh-Schau meinen Schmuck hier entdeckt und einige Teile spontan für die Schau ausgeliehen hat. Das verschafft Aufmerksamkeit, die sonst nicht so leicht zu haben ist. Schön fand ich auch den Ort KantGaragen und dass der Modesalon für alle zugänglich gewesen ist.“
Die kleinen Labels machen den Berliner Salon spannend für die Besucher:innen, die nach Neuem für ihre Geschäfte suchen, und für Stylist:innen wie Antje Gohlke. Sie sieht sich nach Ausgefallenem für Werbekampagnen um, sucht zum Beispiel nach Looks für Marianne Rosenberg oder Patricia Kelly, die sie für Videoproduktionen und Shows ausstattet.
„Für mich ist der Berliner Salon der gelungene Einstieg in die Fashion Week. Ich schätze den interessant kuratierten Überblick auf die kommende Saison und die Möglichkeit, noch unbekannte Designer:innen zu entdecken“, lautet Gohlkes Fazit.
Eine Stadt, viele Orte
Oft werden die Messen PREMIUM und SEEK mit den Events und Shows der Fashion Week gleichgesetzt, auf denen sich vor allem Berliner und deutsche Designer:innen vorstellen. Das ist formal nicht ganz richtig. Die Messen, Shows und Events zusammen machen die Berlin Fashion Week zu dem interessanten Ort, der sie ist.
stilwerk KantGaragen: Lifestyle-Garage
Zum ersten Mal fand der Berliner Salon in dem stilwerk KantGaragen in der Berliner City West statt. Die Eventflächen befinden sich in einem ehemaligen Hochparkhaus aus den 1930er-Jahren. Es steht unter Denkmalschutz, wurde aufwendig saniert und ist ein Ort, an dem verschiedene designorientierte Geschäfte unter einem Dach zu finden sind.
Das stilwerk KantGaragen bietet außerdem reichlich Platz für Events. Mit der Fashion Week hat es sich als neuer Place to be in Berlin etabliert. In dem Gebäude fanden einige der Schauen statt. Nach der Fashion Week bleibt das exklusive Gebäude ein spannender Ort für designaffine Besucher:innen.
Das waren und sind die Highlightshows
Die Berliner Fashion Show 2023 hat ihre Besucher:innen mit so einigen Shows begeistert. Eine Zusammenfassung der spannendsten Schauen dieses Jahres:
VORN
In der Show VORN ging es darum, zu zeigen, wie stylish nachhaltige Mode aussehen kann. Sustainable Luxus war das Motto des Stylistenpaares Julius und Tanya Forgos. Die 45 präsentierten Looks wurden aus den Kollektionen von 78 Designer:innen zusammengestellt, für die Mode und Verantwortung zusammengehören.
Die VORN-Show bewies, dass Nachhaltigkeit und High Fashion kein Widerspruch sind. Im Gegenteil: Für alle Genres der Mode muss das Thema selbstverständlich werden. Die Stylings kombinieren verschiedene Labels und Materialien. Nylon, Seide, Leder, Latex – Gegensätze ziehen sich an.
Odeeh
Im Untergeschoss des stilwerks KantGaragen präsentierte das Label Odeeh von Jörg Ehrlich und Otto Drögsler seine Kollektion für Herbst/Winter 2023. So interessant das Ambiente im Industrial Look war, einigen der Besucher:innen ließ sich die Unruhe anmerken, dass sie für eine ganze Weile unter der Erde im Funkloch verharren mussten. Die Odeeh-Schau war eine kleine Übung in digitalem Detox.
Die Kleider, ließen die Designer wissen, waren inspiriert von früher Wintersportmode aus den 1930er-Jahren. Vintage-Postkarten und Werbung mit Skimotiven finden sich auf Mänteln und Blousons. Muster und grafische Formen, gerne im Mix, sind typisch Odeeh, auch wieder für die Kollektion 2023.
Über feminine Maxikleider werden strenge Blazer und Blazermäntel getragen, aus Decken gearbeitete gemütliche Mäntel kombinieren die Designer mit Anzügen. Durch den Kontrast von Sportivität und Eleganz entsteht der lässig stylishe Jetset-Look dieser Odeeh-Kollektion.
Namilia
Das Label Namilia von Nan Li und Emilia Pfohl wurde 2015 in Berlin gegründet, hat ihre Kollektionen aber bisher nur in New York gezeigt. Nun war endlich Berlin dran. Höchste Zeit, denn Stars wie Billie Eilish oder Rihanna sind bereits in den rasanten Outfits von Namilia gesichtet worden.
Für die gezeigte Show wurde aufs Gas gedrückt, nicht zuletzt, weil die Kollektion in Kooperation mit der Autorennspielserie „Need for Speed“ entwickelt wurde. Auch wenn viel Bewegung herrschte, nicht „geparkt“ wurde, war das stilwerk KantGaragen der perfekte Ort für die Schau.
Motorsportjacken, Rave-Looks, Leder, viel nackte Haut und teuflisch spitze, breite Schultern – für das Büro sind die Namilia-Outfits weniger geeignet. Wer auf ein Festival geht oder ein Musikvideo drehen möchte, wird bei Namilia aber fündig und glücklich.
Die PLATTE.Berlin: Modeexperimente
Ein vergleichsweiser neuer und spannender Fashion-Ort in Berlin ist die PLATTE.Berlin. Sie ist Concept Store und immer wieder Event Space – natürlich auch während der Berlin Fashion Week. DIVERSE IT etwa war ein fünftägiges Programm, bei dem genderfluide Kleidung vorgestellt wurde, die Berliner Modeschöpfer:innen mit jungen Talenten entwickelt haben.
In der Show REALITY WEAR wurde von Aktivist:innen auf die schlechten Arbeitsbedingungen bei Fabrikarbeiten in Kambodscha aufmerksam gemacht. Die PLATTE.Berlin ist immer wieder für Überraschungen gut, vor und nach der Fashion Week.
Nachhaltig luxuriös
Der Franzose Lucas Meyer-Leclère präsentierte seine Kollektion LML Studio in der St. Marienkirche. Seine genderneutralen, handgefertigten Modelle aus re- oder upgecycelten Materialien sind nur auf Bestellung oder in limitierter Auflage erhältlich. Lucas Meyer-Leclère entwarf für Chanel Stoffe, bevor er 2018 sein Label in Berlin gründete.
Die Marke SF1OG – das ist die Abkürzung für Seitenflügel 1. Obergeschoss – von Rosa Marga Dahl gibt es seit 2019. Nachhaltigkeit war von Beginn an ihr Thema. Die Kollektion Artifact für den Winter 2023 ist von Kleidern, Postkarten und Objekten aus Berliner Vintage-Geschäften inspiriert. Die minimalistischen Entwürfe folgen der Idee: Hose, Jacke, Hemd können nicht neu erfunden werden, auf die Details kommt es an.
Labels to watch 2023
Berlin hat eine lebendige Modeszene, die es verdient, bekannter zu sein. Neben den Events und Schauen auf dem Messegelände und im stilwerk KantGaragen, die Hauptspielorte der Berlin Fashion Week waren, gab es noch andere Stätten, an denen Designer:innen ihre Kollektionen präsentierten. Regelmäßig dabei sind Esther Perbandt, Rianna + Nina, William Fan und Lou de Bètoly mit stets sehr sehenswerten Präsentationen. Zudem bietet die Berliner Modemesse Chancen für Newcomer:innen:
Sia Arnika
Die Dänin Sia Arnika gründete ihr gleichnamiges Label 2020 in Berlin. Zu ihrer ersten Schau lud sie „nach janz weit draußen“, wie der Berliner sagt, in eine industrielle Kulisse nach Marzahn. Typisch Sira Arnika sind Kleider im Destroyed Look, Cut Outs und die Kombination unterschiedlicher Texturen. Die Designerin sucht „Schönes im Skurrilen und Seltsamen“. Dafür wird sie gefeiert.
Olivia Ballard
Ebenfalls zum ersten Mal dabei war die New Yorkerin Olivia Ballard, die ihr Label 2020 in der US-amerikanischen Hauptstadt gegründet hat. Ihre Schau in Berlin-Schöneweide fand in Industriekulisse statt. Die Abenddämmerung, die Schwelle vom Abend zur Nacht, war das Thema. Gezeigt wurden Abendkleider und Club Couture, eine diverse Kollektion für alle Geschlechter und Körperformen.
Good to know
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Fashion Week Berlin: Mainstream und Avantgarde
Auf den Messen der Berliner Fashion Week findest du zeitgemäße, unaufgeregte Mode von elegant bis sportlich. Der Berliner Salon legt den Fokus auf vielversprechende deutsche Labels, die bereits bewiesen, dass sie mehr als eine Saison angesagt sind. Auf den Side Events und Schauen präsentiert sich die Modestadt Berlin internationaler, kreativer und avantgardistischer, als manche ihr zugetraut hätten. Der von der Klubkultur geprägte Berlin-Style ist oft genderneutral. Mode wird als Kunstform begriffen. Recycling, Upcycling und Sustainability beschäftigen die Designer:innen.