- Molekularküche: Wie alles begann
- Gegessen wird, was aus dem Labor kommt
- Restaurants mit Molekularküche auf höchstem Niveau
- Molekularküche am heimischen Herd
- Molekularküche: Unerwartete Aromenvielfalt und Geschmacksexplosionen
Molekularküche: Wie alles begann
Es war kein Koch, sondern ein Physiker und Chemiker, der die Sterneküche Anfang der 1990er-Jahre radikal veränderte: Der Franzose Hervé This forschte über die molekularen Grundlagen, die physikalischen Prozesse und chemischen Reaktionen, die beim Zubereiten von Speisen eine Rolle spielen und veröffentlichte seine Erkenntnisse erstmals in dem Aufsatz „Der Physiker in der Küche“.
Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und Bücher folgten, die alle eine zentrale Aussage vereinen: Wie physikalische und chemische Methoden in der Küche angewandt werden können, um die Eigenschaften und Aromen von Gerichten zu verändern, zu verbessern und zu kombinieren. Hervé This gilt somit als Urvater der Molekularküche, die Spitzenköche wie Ferran Adrià, Heston Blumenthal und Pierre Gagnaire zur Vollendung weiterentwickelten.
2022 finden sich allerdings nur noch wenige Restaurants auf hohem Niveau, die sich den Ideen dieser Küche verschrieben haben und weiter damit experimentieren. Wer die Chance bekommt, diese Geschmacksexplosionen, die sich auf einem einzigen Löffel versammeln können, zu genießen, sollte sie dringlichst wahrnehmen.
Gegessen wird, was aus dem Labor kommt
Das Offensichtlichste, was die Molekularküche auszeichnet: Die Köch:innen verändern die Struktur von Lebensmitteln. Die Zutaten werden mit Extrakten und Zusatzstoffen, mit Geliermitteln, Zentrifugen und Destillaten in ihre Einzelteile zerlegt und neu zusammengesetzt. Heraus kommen gefrorenes Gelee, heißes Eis, Soßen in Kugelform, knisternde Kristalle und allerlei andere Konstrukte, die in Form und Textur stark vom erwarteten Geschmack abweichen.
Das Kühlen mit Trockeneis oder flüssigem Stickstoff gehört genauso zu den Klassikern der Zubereitungsformen wie das Niedriggaren von Speisen im temperaturkontrollierten Wasserbad oder das Vakuumgaren.
Typisch für die Molekularküche sind beispielsweise:
- Fruchtessenzen, die in Form von kleinen Kaviarkügelchen dargereicht werden und erst im Gaumen platzen
- Die Verwandlung verschiedener Flüssigkeiten und anderer Lebensmittel in Schäume, auch Espumas genannt
- Gefrorene Konsistenzen von Zutaten, die eigentlich ganz anders serviert werden – beispielsweise Cocktails, die sich erst im Mund verflüssigen
Restaurants mit Molekularküche auf höchstem Niveau
Ein Restaurant fällt unweigerlich im gleichen Atemzug mit der Molekularküche: Das El Bulli an der spanischen Costa Brava von der bereits erwähnten Kochlegende Ferran Adrià, das mehrfach zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde. Was dort serviert wurde, inspirierte Spitzenköch:innen weltweit.
Doch 2011 schloss der Genusstempel. Seitdem gibt es eine Reihe anderer vom Guide Michelin ausgezeichnete Restaurants, die sich der Molekularküche intensiv widmen. Viele schlossen in den vergangenen Jahren jedoch oder die Köch:innen orientierten sich in ihrer Kochkunst um.
Eine kleine Auswahl aktueller Lokale weltweit, die weiterhin mit molekularen Methoden locken:
- The Fat Duck in London: Küchenchef Heston Blumenthal serviert Menüs aus vielen kleinen Gängen, viele davon sind von der Molekularküche inspiriert. Optik, Mundgefühl und Foodpairing spielen bei der Auswahl der Gänge entscheidende Rollen. Das 3-Sterne-Restaurant ist ein Hochgenuss für alle Sinne.
- Disfrutar in Barcelona: Gleich drei Küchenchefs, die bei Ferran Adrià gelernt haben, schaffen in der einsehbaren Küche des 2-Sterne-Lokals ein kulinarisches Erlebnis, das mit allen Facetten der Molekularküche spielt. Zwei Beispiele: trinkbare Sake-Spaghetti oder in Lehm gebackenes Ei mit Lachsrogen und Seeigel.
- Alinea in Chicago: Küchenchef Grant Achatz hat innovative Herangehensweisen an die moderne Küche, die oft gelobt werden. Er destilliert gerne einzelne Aromen, um sie gezielt ins Degustationsmenü zu integrieren. Eines seiner Signature Dishes ist ein essbarer, mit Helium gefüllter Ballon aus Zuckermasse mit Apfelgeschmack.
El Bulli wird zum Labor
Dein nächstes Dinner geht auf uns
Molekularküche am heimischen Herd
Die Zubereitungen der Molekularküche klingen kompliziert, mit einigen Küchenhelfern lässt sich jedoch am heimischen Herd Erstaunliches vollbringen. Im Fachhandel gibt es entsprechende Sets mit der Grundausstattung, für Experimente in der molekularen Küche.
Es bedarf aber nicht immer Außergewöhnlichem: So lässt sich die Textur einer flüssigen Zutat mit herkömmlichen Geliermitteln wie Gelatine oder Agar-Agar beispielsweise verfestigen, mithilfe von Sojalecithin in Schaum verwandeln. Und selbst Vakuumgarer sind mittlerweile preisgünstig im Handel zu erwerben.
Beim Experimentieren mit flüssigem Stickstoff ist jedoch Vorsicht geboten. Dieser ist rund minus 200 Grad kalt und kann bei Hautkontakt üble Kälteverbrennungen verursachen. Für den Umgang mit Stickstoff werden daher Spezialhandschuhe benötigt und eine Schutzbrille sowie spezielle kältefeste Gefäße.
Molekularküche: Unerwartete Aromenvielfalt und Geschmacksexplosionen
Die Molekularküche war zum Jahrtausendwechsel einer der größten Trends in der Spitzengastronomie und Thema großer Foodmessen. Der große Hype ist mittlerweile vorbei, doch die Aromenvielfalt, die unerwarteten Geschmacksexplosionen und die ungewohnten Texturen behalten ihren Reiz, sodass es mutmaßlich immer Küchenchef:innen geben wird, die solche Einflüsse in ihre Menüs einarbeiten werden. Und sogar zu Hause lässt sich dank vieler frei verfügbarer Rezepte mit der Molekularküche experimentieren.