Herr Professor Fastoso, welches Verständnis von Luxus haben wir heutzutage in Deutschland?
In Deutschland wird Luxus oft als etwas wahrgenommen, das sich gesellschaftlich nicht gehört. Luxus wird im Deutschen als Protz oder unnötiger Aufwand definiert, in England wird der Begriff hingegen auch mit Vergnügen, Komfort und Leichtigkeit in Verbindung gebracht.
Nehmen Sie die Automobilindustrie als Beispiel: Der Audi A8, zweifelsfrei ein Wagen des Luxussegments, wird auf der US-amerikanischen Youtube-Präsenz der Marke als „prestigious“ und „pinnacle of luxury“ angepriesen, auf der deutschen hingegen hauptsächlich als innovativ in Technik und Design präsentiert.
Oder der Stellenwert eines luxuriösen Essens: Während Konsumenten den Kauf eines teuren Autos noch mit technischen oder Sicherheitsaspekten rechtfertigen können, dient ein Luxusmenü im Sternerestaurant einzig dem Genuss. Mit dem Rechtfertigen solcher Ausgaben tun sich Deutsche oft schwerer als beispielsweise Franzosen, Italiener oder Spanier.
Zur Person Fernando Fastoso
Nichtsdestotrotz titelte eine deutsche Zeitung 2021: „Goldgräberstimmung bei Luxushotels“. Überrascht Sie diese Entwicklung?
Natürlich ist Luxuskonsum immer auch konjunktur- und stimmungsabhängig, aber aktuell überrascht mich diese Aussage nicht. Schon im Juli 2021 hatte ein Konsumentenstudie prophezeit, dass zurückgehaltene Ausgaben nach dem Abklingen der Pandemie nachgeholt werden würden. Und das ist nun in Deutschland der Fall. In China, wo der Lockdown früher endete, konnten wir dieses „Revenge Spending“ genannte Phänomen ebenfalls beobachten.
Seit Ende 2020 lehren Sie an der Hochschule „Luxus“. Zu welchen Erkenntnissen ist der Lehrstuhl schon gekommen?
Der Luxusmarkt ist global aufgestellt, weil fast überall auf der Welt Nachfrage nach Luxusartikel besteht – allerdings unterscheiden sich die Märkte hinsichtlich ihrer Reife. Darunter verstehen wir, inwieweit Luxus bereits demokratisiert wurde, also wie viele Menschen in einer Region in der Lage sind, sich Luxus leisten zu können.
Unreife Märkte finden wir in Afrika oder Lateinamerika vor, mittelreife Märkte in Asien und reife in den westlichen europäischen Ländern oder auch den USA. Der Drang, durch Luxusgüter eine Außenwirkung zu erzielen, ist in unreifen Märkten viel höher. In reifen Märkten entwickelt sich der Trend hingegen weg vom Güterkonsum, hin zum immateriellen Genuss.
Können Sie das anhand eines Beispiels verdeutlichen?
Denken Sie nochmals an den Konsum von Autos in westlichen Kulturen. Vor 20 Jahren war der Besitz eines hochwertigen Autos ein Statussymbol, mit dem der Käufer Eindruck schinden konnte. Heutzutage gibt es immer mehr gesellschaftliche Gruppen, innerhalb derer es mehr Eindruck macht, sich kein Auto zu kaufen. Luxus ist hier, es sich leisten zu können, auf ein eigenes Auto zu verzichten.
Sie sprachen eben immateriellen Genuss an. Ist nicht Zeit das neue Luxusgut schlechthin?
Unsere Gesellschaft ist sich weitgehend einig darüber, dass Zeit kostbar ist und gut genutzt werden sollte. Allerdings geht mit Zeit aber auch ein gewisser Status einher, sofern sie in die „richtigen“ Aktivitäten investiert wird: Zeit für die eigenen Kinder, um sich sportlich zu betätigen oder um etwas Gesundes selber zu kochen – mit möglichst natürlichen Zutaten. Mehr Freizeit zu haben ist aber auch ein Luxus, da in dieser Zeit kein Geld verdient werden kann.
Eine Ihrer Studien beschäftigt sich mit der Nachhaltigkeit von Luxusmarken. Wie sieht es da aus?
Traditionell passten Luxus und Nachhaltigkeit nicht zusammen. Auf der einen Seite Genuss, auf der anderen Seite Verpflichtung. Doch vor allem in der jungen Generation löst sich dieser Widerspruch zusehends auf, da nachhaltiges Handeln für diese Bevölkerungsgruppe eine Selbstverständlichkeit ist.
Darauf stellen sich die Hersteller von Luxusgütern ein und engagieren sich seit einigen Jahren verstärkt in diesem Bereich. Der Schmuckhersteller Tiffany beispielsweise verzichtet seit kurzem auf sogenannte Blutdiamanten, das Modeunternehmen Gucci ist Gründungsmitglied der Girls’ Empowerment Initiative von UNICEF, die die Rechte von Mädchen in Entwicklungsländer stärken will.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Ultraluxus“, der aktuell verstärkt auftaucht?
In Zeiten der Demokratisierung von Luxus, den sich immer breitere Bevölkerungsschichten – wenn auch nicht oft – leisten können, wollen Unternehmen mit dieser Bezeichnung suggerieren, dass sie sich am oberen Ende des Luxusspektrums positionieren. Der Ansatz ist: Einen der etwa 300.000 Porsche, die im Jahr abgesetzt werden, können sich vergleichsweise viele Menschen leisten, einen der 80 jährlich verkauften Bugatti dagegen nicht. Wer also auffallen will – und sich das leisten kann – greift zu einem Ultraluxusprodukt.
Wer Interesse verspürt, bei Ihnen zu studieren – welche Berufsperspektiven dürfen Studierende mit einem Abschluss in Luxus erwarten?
Mein Master-Studiengang Creative Communications and Brand Management ist einzigartig, da er Absolventen aus den Bereichen Marketing und Design vereint und zu Markenexperten ausbildet, die sich auf Luxus spezialisieren können. Berufsperspektiven sind breit gefächert, viele landen aber beispielsweise in den Marketingabteilungen von High-Value-Marken, also Marken, bei denen der Markenwert den Erfolg maßgeblich beeinflusst. Dazu gehören insbesondere Luxusmarken, aber nicht nur.
Welchen Luxus gönnen Sie sich regelmäßig?
Mit mehreren guten Espressi am Tag und Zeit für meine Familie bin ich schon zufrieden.