- Teppichhandel in der Speicherstadt
- Handgemachte Unikate aus aller Welt
- Geometrische Muster kennzeichnen Nomadenteppiche
- Teppichdesigns nach Wunsch
- Auf den Teppich gekommen
- Teppiche zu Hause testen
- Ein Leben auf dem Teppich
Teppichhandel in der Speicherstadt
Annas Handy klingelt, als sie ihren beiden Besucherinnen die Tür zum Showroom öffnet: „Da muss ich schnell rangehen, das ist der Kurier“, sagt sie entschuldigend. Der steht schon unten, um einen ihrer Teppiche abzuholen. Ein hübscher Orientteppich mit großflächigem Schachbrettmuster, „die liegen gerade voll im Trend“, erklärt sie uns. Für diesen Teppich geht es heute in den Hamburger Stadtteil Eppendorf. Aber zuerst muss er nach unten, wo der Kurier schon wartet. Einsatz für die elektrische Seilwinde, ein altmodisches Überbleibsel des alten Lagerhauses.
Energisch öffnet Anna das Tor und bugsiert den Teppich gekonnt in einem Sack am Haken der Winde hinunter. „Einfach das Seil vom Haken abmachen“, ruft sie hinunter. Ein Spektakel für vorbeilaufende Tourist:innen. Sie bleiben stehen und schauen zu, wie der Teppich vom Boden, so heißen die Etagen in der Speicherstadt, hinunter auf die Straße befördert wird. Manchmal gebe es Applaus, fast immer wird gewunken, erzählt Anna. So auch heute.
„Als wir hier eingezogen sind, mussten wir erst einmal einen Führerschein bei der HHLA machen, um die Seilwinde bedienen zu dürfen“, sagt die Teppichhändlerin und schmunzelt. Die Hamburger Hafen und Logistik AG vermietet die alten Handelshäuser, darunter auch das, in dem sich der Showroom von On The Rugs befindet.
Handgemachte Unikate aus aller Welt
Viele unterschiedliche Teppiche stapeln sich im Showroom. Große und kleine, weiche und robuste, bunte und schlichte: Die Auswahl ist riesig. Jedes Exemplar im Raum ist ein Unikat. Jeder Knoten handgeknüpft.
„Ich kann gar nicht anders als immer ein bisschen esoterisch über meine Teppiche zu sprechen“, sagt Anna mit einem Lachen und streicht über einen beigefarbenen Berberteppich mit Neonmuster. „Für mich hat jeder von ihnen eine Seele.“ Hinter jedem der Teppiche stecke schließlich mindestens ein Mensch, der diesen Teppich gefertigt habe.
Ganz unten im Stapel liegt eine besonders exklusive Seele. 30.000 Euro kostet der teuerste Teppich des Showrooms, ein großes Stück mit aufwändigen orangenen Details: „Das ist ein Sammlerstück, ein alter amerikanischer Sarough. Da warte ich noch auf jemanden, der den mal kauft“.
Je nach Größe variiert der Preis für einen von Annas Teppichen in den meisten Fällen zwischen 200 und circa 5.000 Euro. Gängige Größen, zum Beispiel für Ess- und Sofaecken, sind ab etwa 800 Euro zu haben. Auf Wunsch stellt Anna auch Zertifikate aus, die belegen, dass es sich um einen echten handgeknüpften Orientteppich handelt.
„Als Laie ist das schwer erkennbar“, erklärt sie uns. „Die Knoten sind bei handgeknüpften Teppichen etwas unregelmäßiger und nicht ganz so akkurat ausgeführt wie mit einer Maschine“. Die Patina gebe den Teppichen aber erst ihren ganz eigenen Charakter.
Geometrische Muster kennzeichnen Nomadenteppiche
Die Händlerin zeigt auf einen Stapel im hinteren Teil des Speichers: „Schaut euch einmal diese Teppiche hier an, in den Symbolen steckt so viel Kultur“. Einen roten, fein geknüpften Teppich identifiziert sie als klassischen afghanischen Nomadenteppich. „Typisch sind die geometrischen Formen. Warte, ich zeige euch einen Elefantenfuß.“ Das geometrische Symbol, das aussieht wie der Fußabdruck eines Elefanten, gilt als traditionelles Muster aus Afghanistan. Persische Teppiche seien oft deutlich floraler und opulenter, erklärt Anna.
Im Gegensatz zu den geknüpften Orientteppichen sind Kelims von Hand gewebt. Die flachen Teppiche haben ebenfalls meist geometrische Muster: „Die lassen sich viel akkurater weben als runde Formen“, erzählt Anna und deutet auf ein schlicht gemustertes Stück mit farbigen Rechtecken. Besonders auffällig ist auch ein knallbunter Teppich, der aus vielen unterschiedlichen Stoffresten zusammengewebt wurde – ein Stück aus Marokko, das um die 600 Euro kostet.
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Teppichdesigns nach Wunsch
Auch eigene Designs können Kund:innen beim Hamburger Unternehmen beauftragen. Hierfür arbeitet Anna eng mit Produzent:innen aus Marokko zusammen, die Wünsche detailgenau umsetzen. Eine selbst organisierte Fraueninitiative aus Marokko fertigt beispielsweise Berberteppiche aus Schafswolle an: „Das ist ein tolles, nachhaltiges Projekt, mit dem wir seit zwei Jahren eng zusammenarbeiten.“
Die Initiative gewährleiste faire Arbeitsbedingungen, das setze die Teppichhändlerin aber bei allen Partner:innen voraus. „Bei Vintagestücken können wir es natürlich nicht mehr nachvollziehen. Das ist klassische Secondhandware“, erläutert Anna.
Die richtige Pflege: So hält dein Teppich ein Leben lang
- Reinige deinen Teppich nie mit chemischen Mitteln. So verlieren sie auf Dauer ihren Glanz und werden stumpf und faserig. Kleinere und unempfindliche Stellen am besten mit etwas Wollshampoo reinigen.
- Wer auf Nummer sicher gehen möchte, lässt professionell reinigen. Einige Hamburger Teppichreinigungen bieten schonende Handwäscheverfahren an.
- Nicht immer ist eine aggressive Reinigung notwendig: Auch direkte Sonneneinstrahlung kann Flecken mit der Zeit verblassen und sogar verschwinden lassen.
- Sonnenlicht verändert die Farbe deines Teppichs. Wer das nicht möchte, sollte in besonders hellen Räumen hin und wieder die Vorhänge zuziehen.
- Alle paar Monate den Teppich lüften und drehen, um ihn gleichmäßig abzunutzen.
Über die letzten Jahre hat sich Anna ein Netzwerk aus Händler:innen aufgebaut. Viele Kontakte ihres Vaters, selbst jahrelang Teppichhändler in der Speicherstadt, kommen ihr dabei zugute: „Klassischer Teppichhandel, wie ihn mein Vater betrieben hat, ist nach wie vor ein sehr männliches Business, auch hier in Hamburg”. Das liege vermutlich daran, dass die Arbeit mit Teppichen ein sehr körperlicher Job sei und kulturell tief im Orient verwurzelt, erklärt uns Anna. „Wir hingegen sind ein reines Frauenteam, das ist echt selten“.
Im Gegensatz zu traditionellen Großhändler:innen, die Teppiche palettenweise liefern, hat Anna mit On The Rugs ihre Nische im Interieur gefunden. „Wir sind mit unserem Showroom eher ein Teppich Concept Store, haben ganz andere Kund:innen als mein Papa.“
Auf den Teppich gekommen
Dabei wollte die 40-jährige früher auf gar keinen Fall in die Fußstapfen ihres Vaters treten. Im Laden ihres Vaters sah sie sich damals einfach nicht. Stattdessen studierte sie erst Popmusik, dann Journalismus, jobbte nebenbei in einem Hamburger Interieurgeschäft und veranstaltete Events und Pop-up-Stores mit Gleichgesinnten. Dort merkte sie, dass die Nachfrage nach besonderen Teppichen stieg.
Und zwar nach genau solchen, die sie aus dem Lager ihres Vaters kannte. Einem Lager mit tausenden Teppichen. „Ich bin dann so durch seine Räume und habe die Stapel nach Teppichen durchwühlt, die für die typischen Großkund:innen meines Vaters aufgrund kleiner Unregelmäßigkeiten oder vom Design her eher uninteressant waren, für Interieurfans aber genau das Richtige. Eine Heidenarbeit“, erinnert sich Anna.
Anfänglich nutzte sie noch das Lager ihres Vaters. Seit 2021 ist Annas Label im Pickhuben in der Speicherstadt anzutreffen.
Schon früher spielte sich in Annas Familie viel auf dem Teppich ab: „Mein Vater ist Afghane, wir haben früher oft bei meiner Oma auf dem Teppich gegessen oder gespielt.“ So entstand der Name „On The Rugs” – auf dem Teppich zusammenkommen. Das sei schließlich das Wesen eines Teppichs, meint die zweifache Mutter.
Teppiche zu Hause testen
Die Kundinnen von Anna sind so individuell wie ihre Teppiche: „Ich habe hier wirklich alles, von der hippen Studentin über junge Familien bis hin zu sehr designaffinen Menschen, etwa Architekten“. Zwischen den vielen Teppichen – wie viele genau sie gerade hat weiß sie gar nicht – finden sie und ihr Team für alle das richtige Exemplar. Ein Verkauf kann auch schon mal mehrere Tage dauern. Interessierte dürfen sich den Teppich auch zum Testen mit nach Hause nehmen. Schließlich begleitet ein Teppich seine Käufer:innen im besten Fall ein Leben lang.
Onlineshop
Ein Leben auf dem Teppich
Und sie selbst? Tauscht sie bei sich zu Hause auch regelmäßig die Teppiche aus? „Das denken viele“, sagt Anna amüsiert. „Alleine schon aus pragmatischen Gründen mache ich das nicht. Wenn ich zu Hause bin, bin ich auch einfach mal froh, dass ich dort nicht auch noch Teppiche hin und her schleppen muss.“
Wie schon in Annas Kindheit spielt sich das Familienleben zu Hause viel auf dem Teppich ab: „Heute erst hat mein Mann mir wieder ein Foto von meiner Tochter geschickt, wie sie auf unserem Teppich spielt.“
Demnächst fliegt Anna wieder nach Marokko. Und plant mit viel neuer Inspiration und besonderen Teppichen zurück nach Hamburg zu kommen.
Kontakt
Aktuelle Preise und Öffnungszeiten bitte der Website entnehmen.
Informationen zu einzelnen Teppichen bitte unter 0176 72889738 oder salam@ontherugs.de