- Kunstkauf-Optionen öffnen sich nun mit einem Klick
- Die wirklich sichere Kunstformel
- Lass dich nicht ablenken!
- Die Gretchenfrage: Ist der Preis angemessen?
Expertin Daniela Hinrichs über das „New Normal" bei Kunstkäufen
Gerade mit dem Online-Erwerb von Kunst können einige Unsicherheiten verbunden sein. Und so hoffe ich, dass du nach dem Lesen dieser Zeilen nicht nur mehr Vertrauen in den Online-Markt für Kunst als solches hast. Sondern auch in dein Bauchgefühl und einen imaginierten Hocker, auf dem du nach Belieben überall Platz nehmen kannst. Doch der Reihe nach.
Kunstkauf-Optionen öffnen sich nun mit einem Klick
Weltweit nutzten die Akteur:innen des Kunstmarkts den Corona-bedingten Boxenstopp, um über virtuelle Pforten neue Käuferschaften zu erschließen. Während die großen Auktionshäuser bereits vorhandene, digitale Strategien weiter kommerziell perfektionierten, übersetzten viele Galerien die käuflichen analogen Präsentationsformen ihrer Kunst zum ersten Mal überhaupt ins World Wide Web. Mit dem schönen Ergebnis, dass sich Kunstkauf-Optionen heute auch für Markteinsteiger:innen mit nur einem Klick öffnen.
Arbeiten wenig bekannter Künstler:innen aus kleinen Galerien erhielten durch die Online-Präsenz erstmals die Chance, überhaupt gesehen zu werden – und bieten gute Gelegenheiten, in den Markt einzusteigen.
Für eine greifbare Einschätzung zum Online-Markt aus Käufer:innenperspektive befragte der ART+TECH Report in der Collector’s Edition 2021 insgesamt 380 internationale Kunstsammler:innen nach ihren persönlichen Erfahrungen beim Online-Kauf von Kunst im Jahr 2020.
Die Ergebnisse werden die Zögerlichen unter euch möglicherweise ermutigen. „Die Verbindung von Online und Kunst ist das neue Normal” – so lautet eine der Schlüsselerkenntnisse des Reports. Zwar gaben 67 % der Befragten an, dass sie das physische Erlebnis vermissen würden, wenn sie Kunst online erwerben. Aber trotzdem trafen mehr als 3/4 der Befragten eine Kaufentscheidung, obwohl sie das Werk vor dem Kauf nicht analog erlebt hatten.
Die wirklich sichere Kunstformel
Der richtige Wert von Kunst entsteht dort, wo die kulturelle Ebene und der kommerzielle Horizont aufeinandertreffen. Oder anders ausgedrückt: Es ist schlichtweg eine Frage der Perspektive, nämlich der Perspektive, die du persönlich einnimmst. Kunst aktiviert beim Betrachten die gleichen Areale des Gehirns, die auch zum Schwingen kommen, wenn wir uns verlieben. Ob und wie sie wirkt und welche Fragen man sich in ihrer Gegenwart stellt, liegt dabei allein im Auge des Betrachtenden – also deinem!
Stell dir einen dreibeinigen Hocker vor. Jedes Bein steht für ein wichtiges Erkennungszeichen eines Kunstwerkes: erstklassiges Handwerk, Schöpfer:innenkraft und Authentizität. Du kannst deinem Hocker selbstverständlich eigene Attribute geben. Es ist dir überlassen! Wichtig ist nur: Ein fester Hocker-Stand ist für dich das Zeichen, dass das, was du kaufen willst, für dich wertvoll ist. Ist eine Seite verkürzt, also im Beispiel nicht authentisch, dilettantisch gemacht oder die Kopie einer Kopie, dann kippt der Wert des Kunstwerks.
Lass dich nicht ablenken!
Wir kennen es von uns selbst: Vermeintliche Problemzonen kaschieren wir gerne mit gut gewählter Kleidung. Auch in der Präsentation von Kunst sollen wir manchmal von vorhandenen Schwächen eines Werks abgelenkt werden. Schau bei dem Trio Größe, möglicher Überhöhung und gewollter Provokation eines Werks also gerne genauer hin:
- Soll mich die Größe ablenken? – Wir staunen beeindruckt, wenn etwas überdimensional groß ist. Kirchen haben die architektonischen Vorteile ihrer Gebäude Jahrhunderte für sich genutzt. Groß suggeriert uns die Prädikate „gut“, „erhaben“ und auch „bedeutungsvoll“.
- Soll mich das Kluge einschüchtern? – Künstlich verkopfte Arbeiten, denen eindeutig die Schöpfungskraft fehlt, versuchen sich durch intellektuelle Überhöhung abzugrenzen. Statt uns die Möglichkeit zu geben, uns mit der Arbeit intuitiv und emotional auseinander zu setzen, verpassen uns dröge Arbeiten Knoten im Kopf oder das Gefühl, keine Ahnung von Kunst zu haben. Ein uncooler Effekt.
- Soll mich das Laute überzeugen? – Provokation und kalkulierte Skandale werden gerne effektvoll eingesetzt, um über Schwächen hinweg zu täuschen.
Die größte Herausforderung für dich ist jetzt: Unterliege nicht der Versuchung, alles was groß, sachlich und provokativ ist, gleich als schlechte Kunst zu deklarieren. Kunst möchte gesehen werden. Falls es dir Freude macht, prüfe die Kunst, die du gerade vor dir hast. Ist sie übertrieben oder nachlässig gemacht? Zu selbstbezogen, zu unpersönlich oder zu bemüht? Gibt es Brüche in der Künstler:innenvita? Erkennst du die Handschrift früherer Werke wieder?
Gib deinen Sinnen regelmäßig Futter! Galerist:innen, Sammler:innen und Kunstprofis schulen ihr Auge – ständig. Das kannst du auch – online oder analog. Je mehr Kunst du siehst, desto besser wirst du starke Arbeiten von schwachen Werken, oder gar von Dekoration unterscheiden können.
NextGen
- Laut ART+TECH Report trafen fast 80 % der NextGen-Kunstsammler:innen im Jahr 2020 ihre Entscheidung zum Kunstkauf online – 76 % von ihnen, ohne das Werk vorher gesehen zu haben, 37 %, ohne den Künstler oder die Künstlerin vorher gekannt zu haben.
- Über 40% der jungen Kunstsammler:innen planen, in diesem Jahr (2021) mehr Kunst online zu kaufen als im letzten Jahr. Dieser Wert ist etwa doppelt so hoch wie in den anderen Altersgruppen.
- Instagram ist wichtigster Kanal und zugleich Trendscout-Tool der NextGen. 71 % nutzten die Social Media Plattform speziell im Zusammenhang mit Kunst, Frauen mit 75 % übrigens deutlich mehr als Männer (51 %).
Die Gretchenfrage: Ist der Preis angemessen?
Viele Menschen glauben, dass sie nicht genug Ahnung von Kunst haben, um den Preis eines Werks realistisch beurteilen zu können. Als sehr spezielles Phänomen des Konsums und aufgrund zahlreicher Berichte über Kunst-Eliten und Höchstgebote kann der Kunstmarkt durchaus einschüchternd wirken. Vereinfacht gesagt ist der Preis für ein Werk immer ein Hybrid aus Nachfrage, Weltwirtschaftslage, Künstler:innen-Vita, Qualität des Handwerks und Originalität.
Wie eingangs erwähnt ist eine der guten Nachrichten aus der Pandemie die steigende Preistransparenz im Kunstmarkt. Das Internet bietet mit Datenbanken und Apps die Möglichkeit, Auskunft zu Preisen und Preisentwicklungen von Künstler:innen und ihren Werken zu erlangen und erlauben einen Preisvergleich ohne versteckte Kosten. Im ART + TECH Report wurden als beliebteste Online-Verkaufsformate genau die genannt, bei denen Preise transparent angezeigt werden: In erster Linie Online-Shops (66% kauften, 84% zeigten Preise an) und Online-Auktionen (69% kauften, 84% zeigten Preise an).
Kunstmärkte spiegeln immer auch den Geschmack der Vielen wider und ob aus einem Millionenhype ein kulturhistorisch relevantes Werk wird, entscheidet oft erst die Zeit. Wenn du also das nächste Mal neue Bewegungen am Kunstmarkt beobachtest: Zieh doch deinen inneren Hocker heran und nimm Platz. Von dort hast du einen guten Blick auf deinen Horizont und die für dich richtige Kunstformel.
Sale Advice
Verschwiegenheit und Offenheit sind ungleiche Geschwister im Kunstmarkt. Während aktuelle Studien zeigen, dass für Käufer:innen der große Gewinn aus der Pandemie die langersehnte Transparenz im Kunstmarkt ist, wuchs in der Krise eine interessante Gegenbewegung heran: der diskrete Private Sale. Hier wechseln Arbeiten unter Ausschluss jeder digitalen oder analogen Öffentlichkeit und ohne großes Medienecho in neue Hände.
Day Sale vs. Evening Sale:
Man kennt das Prinzip aus der Gastronomie. Was mittags als köstliches Gericht zu einem übersichtlichen Preis verkauft wurde, wird in der gleichen Zusammensetzung abends mit einem gewissen Aufschlag serviert. Dies gilt auch für Auktionsverkäufe: Hier können Investitionsfüchs:innen im Day Sale das Werk ihrer Wahl oft zu einem besseren Preis erwerben, als in den stärker frequentierten Evening Sales.
Good to know
Über die Autorin:
Leidenschaft kann man sich nicht verordnen. Bei mir ist sie in über zehn Jahren durch die intensive Beschäftigung mit der Fotografie und meine pure Freude am Sammeln entstanden. Dass daraus ein Business entstehen würde, hätte ich anfangs nicht gedacht. Ich habe ein gutes Gespür für die individuellen Wünsche und Sichtweisen meiner Kund:innen. In meiner Arbeit komme ich bei aller Diskretion Menschen sehr nahe. Insofern bin ich eher eine Beziehungs-Managerin als klassische Kunstberaterin. Unabhängig davon, ob ich Unternehmen, Family-Offices oder Privatpersonen in Sammlungsfragen unterstütze.
Im Grunde kuratiere ich für jede:n Kund:in eine ganz persönliche Ausstellung, erfasse nach ausführlichen Gesprächen intuitiv und aufgrund meiner Erfahrung, welche Arbeiten bedeutsam und zugleich auf lange Sicht wertvoll für die Kund:innen sein werden. In der Zusammenarbeit eint mich und meine Auftraggeber:innen der Anspruch, dass die Kunst über den ersten Blick hinaus auf mehreren Ebenen wirken darf. Denn dann entstehen Momente, die magisch sind.